ist/hat angefangen

ist / hat angefangen (Frage 1c)
Anfangen ist in unserem Beispiel „Das Spiel ist / hat um 9 Uhr angefangen.“ ein intransitives Verb, das heißt, es gibt kein Objekt (im Gegensatz zu „Er fängt einen Streit an.“). Darüber hinaus ist es telisch, es bezeichnet also den Beginn einer Tätigkeit oder eines Geschehens, bei dem ein Endpunkt impliziert ist. Als solches sollte anfangen die zusammengesetzten Zeitformen der Vergangenheit (Perfekt und Plusquamperfekt) mit dem Hilfsverb sein bilden (vgl. Eisenberg 2013, Bd. 2, 100). Entsprechend ist es etwa beim bedeutungsähnlichen Verb starten ganz überwiegend der Fall (s. die Karte hat/ist gestartet in Runde 13 (https://www.atlas-alltagssprache.de/r13-f6i/)), bei beginnen wiederum nicht. Bei anfangen ist es so, dass es nur im Nordwesten Deutschlands vereinzelt mit sein gebildet wird: Das Spiel ist um 9 Uhr angefangen. Im übrigen deutschsprachigen Gebiet – und auch mehrheitlich im Nordwesten – heißt es hingegen: Das Spiel hat um 9 Uhr angefangen. Für die grammatischen Nachschlagewerke wird anfangen „standardsprachlich nur mit haben gebildet“; die Variante mit sein sei hingegen „[r]egionalsprachlich (norddeutsch)“ (vgl. Duden-Zweifelsfälle 2021: 86).Im Niederländischen hat sich das „Telizitätsprinzip“, d.h. die Verwendung des Auxiliarverbs zijn (‘sein’) mit dem Partizip telischer intransitiver Verben, sehr viel konsequenter durchgesetzt: Dort wird beginnen (‘beginnen, anfangen’) entsprechend mit zijn gebildet (Het spel is begonnen.). Diese Konstruktion ist in dem an das Niederländische grenzenden Niederdeutschen offenbar konventionalisiert worden und färbt – zumindest im Nordwesten Deutschlands – in die heutige Alltagssprache ab, wo sie nach den umfänglichen Korpusuntersuchungen und experimentellen Studien von Weber (2020) offenbar recht stabil ist. Weber zählt die Konstruktion auf der Grundlage ihrer Studien sogar zum „Teil des regionalen gesprochensprachlichen Gebrauchsstandards“ sowie zum „Teil des Gebrauchsstandards arealer öffentlicher Schriftlichkeit“ in dem von ihr untersuchten westfälischen Sprachgebiet (Weber 2020: 294).
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- 01.08.2024