Jahrmarkt/Kirchtag/Chilbi


Jahrmarkt/Kirchtag/Chilbi (Frage 6a)

In der Karte geht es um Bezeichnungen „für die zumeist einmal im Jahr stattfindende Veranstaltung mit Fahrgeschäften, Schießbuden, Losverkauf usw.“. Sie zeigt eine Vielzahl regionaltypischer Ausdrücke.

In einem Gebiet, das zum einen Schleswig-Holstein, die Stadtstaaten Bremen und  Hamburg sowie den größten Teil Niedersachsens umfasst (mit vereinzelten Ausläufern nach Thüringen und Sachsen) und sich zum anderen auf Baden, Nordwürttemberg, den Osten der Schweiz und Teile Tirols und Bayerisch-Schwabens erstreckt, ist die Veranstaltung als Jahrmarkt bekannt (im äußersten Norden Württembergs auch einfach als Markt). Der lärmenden Betriebsamkeit auf solchen Veranstaltungen verdankt sich der Name Rummel, der in den östlichen deutschen Bundesländern sowie in Schwaben überwiegend und zum Teil auch im Allgäu verwendet wird.

Eine ganze Reihe von Bezeichnungen verweist auf die traditionelle Verknüpfung der Veranstaltung mit dem Kirchweihfest. Dieses fand in vielen katholischen Gebieten am Sonntag nach dem Patronatsfest statt, während in den meisten protestantischen Regionen (zu denen die Verbreitungsgebiete von Jahrmarkt und Rummel gehören) diese Verknüpfung nicht mehr besteht. Am offensichtlichsten ist dieser Zusammenhang in dem Wort Kirchweih, das in Unter- und Mittelfranken gebräuchlich ist. Mundartliche Verschmelzungen haben zu verschiedenen lautlichen Varianten geführt: Kerwe, Kirwa in Oberfranken sowie Teilen Mittelfrankens und der Pfalz, Kerb(e), Kirbe in der Pfalz, im Osten des Saarlands und in Südhessen sowie Chilbi, Kilbi in der Schweiz, im Elsass und in Vorarlberg (aus Chilch-Wīhi, s. Schweizer Idiotikon XV, 1051). Ein anderes Bildungsmuster ist Kirchtag mit den Lautvarianten Kirtag und Kiritag (Kiridog u. a.), die in den meisten Bundesländern Österreichs üblich sind (außer in Vorarlberg und Teilen Tirols). Ein drittes Muster ist schließlich die Kirch(weih)-Messe, das zu Kirmes zusammengezogen worden ist; dieses Wort ist in einem relativ kompakten Gebiet in Luxemburg, Ostbelgien und im Westen Deutschlands gebräuchlich, das sich im Norden bis ins Emsland und im Süden bis ins Saarland erstreckt sowie im Osten ganz Hessen umfasst, mit Ausläufern im benachbarten Thüringen und sogar bis ins sächsische Erzgebirge. Das Wort Messe bezeichnet dabei die – in Anlehnung an die feierlichen kirchlichen Messen zu Ehren bestimmter Heiliger (und damit an festgelegten Tagen im Jahr) – abgehaltenen Verkaufsveranstaltungen und Jahrmärkte (Pfeifer); die abgekürzte Form Mess wird auch heute noch dafür verwendet, sie wurde aus einigen Orten in Baden-Württemberg gemeldet.

Eine nur im Gebiet Altbayerns vorkommende Bezeichnung ist Dult, was auf got. dulþ‚ ‘Fest’ zurückgeführt wird (Kluge). Ebenfalls fast ausschließlich auf Altbayern konzentriert ist die Verbreitung des selbsterklärenden Worts Volksfest.

Eine Spezialität Südtirols ist der Name Lunapark. Lunapark (zu lat. luna ‘Mond’) ist eine weltweit verbreitete Bezeichnung für eigentlich stationäre Vergnügungsparks; der berühmteste Lunapark im deutschsprachigen Gebiet bestand von 1909 bis 1933 in Berlin-Halensee (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Lunapark_(Berlin)).

Über diese Vielfalt an Varianten hinaus wurden noch weitere Namen mit oft regionaler oder auch nur lokaler Geltung genannt, wie etwa der Send in Münster (und anderen Orten Westfalens), der Plärrer in Augsburg (und anderen Städten in Bayern), der Dom in Hamburg u. a.

Im Vergleich mit der Karte des WDU (auf der Basis von Erhebungen in den 1970er Jahren) zeigt sich eine erstaunliche Stabilität der Bezeichnungen und ihrer Verbreitungsgebiete. Stark zurückgegangen ist demnach vor allem die Verwendung von Jahrmarkt in den ostdeutschen Bundesländern, von Volksfest in Österreich, von Kerwe in Schwaben oder von Markt/Mär(i)t in der Schweiz – was insgesamt dazu führt, dass die Verbreitungsareale auf der aktuellen Karte gegenüber der WDU-Karte kompakter erscheinen.