Splitter/Schiefer/Spreißel

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Splitter/Schiefer/Spreißel (Frage 2f)

Für „ein kleines dünnes Stück Holz, das man sich versehentlich unter die Haut schiebt“ (was bekanntlich recht schmerzhaft sein kann, z.B. beim Heimwerken, beim Aufnehmen des Kaminholzes etc.) gibt es eine Reihe unterschiedlicher Bezeichnungen im deutschsprachigen Raum.

Im Norden und Westen Deutschlands sowie in Ostbelgien und Luxemburg sagt man Splitter dazu. Aus Luxemburg wurde am häufigsten die Form Spläiter gemeldet, die nach dem RhWb (Bd. 8, Sp. 385 unter Spleiter) eine Mischform aus Splitter und dem gleichbedeutenden westmitteldeutschen Dialektwort Schleiter (mask. oder fem.) darstellt. Das Wort leitet sich von mittelniederdeutsch splitten ‘spalten’ ab, dessen hochdeutsches Pendant spleißen lautet; das Wort ist im Hochdeutschen v.a. durch Luthers Übersetzung einer Stelle des Matthäus-Evangeliums (Matth. 7, 3–5) bekannt geworden: „Was sihestu aber den Splitter in deines Bruders auge / vnd wirst nicht gewar des Balcken in deinem auge?“ usw. (Pfeifer, DWB XI, 2661f.).

Im Südwesten Deutschlands (Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben) sowie in Franken ist die Bezeichnung Spreißel üblich. Wie auch das aus der Schweiz und dem Elsass sowie aus Teilen Badens und Vorarlbergs gemeldete Sprieße/Spriesse (ohne Diphthong) geht das Wort auf das mittelhochdeutsche Substantiv sprîʒel ‘Span, Lanzensplitter’ zurück (KBS, 137), das sich vom Verb sprîʒen ‘splittern, zersplittern’ ableitet (Lexer).

Ähnlich klingen Formen ohne „r“ wie Spieß (Oberpfalz, Osttirol, Westkärnten, Ostschweiz, Vorarlberg), Spieße/Spiesse (v.a. Kanton Zürich) und das diphthongierte Speißen (Süden Baden-Württembergs, Schaffhausen). Ein Zusammenhang mit mittelhochdeutsch spiʒ ‘Brat-, Holzspieß, Splitter’ erscheint semantisch naheliegend, ist jedoch phonologisch unklar.

In Sachsen, Altbayern, den meisten Gebieten Österreichs sowie Südtirol wird Schiefer verwendet (in der Oberpfalz auch mit dem Suffix -ling: Schiefling). Das althochdeutsche Wort skivaro, auf das Schiefer zurückgeht, konnte noch ‘Holz-, Steinsplitter’ bedeuten (Pfeifer). Im überregionalen Hochdeutsch hat sich die Bedeutung auf eine Form des splitternden Gesteins verlagert (s. Schieferplatten etc.). Das Wort Schliffer wurde aus dialektal rheinfränkischen Gebieten (Pfalz, Odenwald u. a.) gemeldet (s. PfWb V, 1086 unter Schliefer).

Das Vorkommen des Worts Speil, auch in der Form Spal, ist in der Bedeutung ‘Holzsplitter’ auf den Osten Kärntens, die Steiermark sowie den Süden des Burgenlandes beschränkt (vgl. DWB VI, 2084; Lexer, Kärnt. Wb., 236).

Die hier erfassten Bezeichnungen spiegeln nur einen Teil der Vielfalt dialektaler Bezeichnungen, die es für den ‘Holzsplitter unter der Haut’ gibt (vgl. etwa KBS, 136f., Lausberg/Möller 2000, 39f.).