Vergleichspartikel nach Komparativ

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Vergleichspartikel nach Komparativ: Er ist größer als/als wie/wie/wan ich. (Frage 5a)

Die heutige grammatische Norm in der geschriebenen Standardsprache für den Gebrauch der Vergleichspartikeln lautet: als nach Komparativ (Er ist größer als ich.) und wie nach Positiv (Er ist so groß wie ich.). Diese Norm steht erst seit dem 19. Jahrhundert so in den Grammatiken. Noch Adelung erklärt nach Positiv den Gebrauch von wie als auch als für zulässig (Adelung 1781, 224: so roth, als eine Rose; Adelung 1782, 479: so reich wie du), und die Doppelform als wie verwendeten selbst die ,Klassiker‘ (vgl. Da steh’ ich nun, ich armer Tor! und bin so klug als wie zuvor.).

Es ist seit langem bekannt, dass sich die Sprecherinnen und Sprecher in ihrer – auch standardnahen – Alltagssprache nicht an diese strikte Trennung halten und dass nach Komparativ die Partikeln wie und als wie gebraucht werden, die „nicht“ bzw. „nicht mehr“ als standardsprachlich gelten (Duden-Zweifelsfälle 2011, 63). Schon in geschriebenen Alltagstexten aus dem 19. Jahrhundert ist festzustellen, dass nach Komparativ als zwar die häufigste Variante war, aber in fast einem Drittel aller Fälle wie gebraucht wurde, und jeder zwölfte Beleg hat sogar einen Anschluss mit als wie (Elspaß 2005, 290). Die abgebildete Karte zeigt, dass als und wie nach Komparativ in der heutigen Alltagssprache offenbar gleich häufig verbreitet sind. Dabei zeigt sich zunächst für Deutschland ein deutlicher Nord-Süd-Unterschied: Während in der Nordhälfte als die am häufigsten gemeldete Variante ist, scheint in der Südhälfte wie die herrschende Form zu sein. In Österreich und Südtirol halten sich die Angaben für diese beiden Varianten in etwa die Waage, auffällig häufig wurde hier allerdings auch als wie genannt (Er ist größer als wie ich.). In der Schweiz wurde mehrheitlich als gemeldet.

Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen die Befunde aus einem Pilotprojekt aus dem Jahr 2002, obwohl die damalige Umfrage nur 1431 Antworten berücksichtigen konnte. Die Unterschiede zwischen den beiden Kartenbildern rühren vor allem daher, dass bei der Karte von 2002 (AdA, Pilotprojekt) bis zu drei Varianten dargestellt wurden. Dort sind deshalb mehr Meldungen für als wie, vor allem in Süddeutschland, aber auch bis ins Rheinland und Brandenburg hinauf, verzeichnet. Von dort gab es diesmal Meldungen, die nun aber auf dem nur zwei Varianten erfassenden Kartenbild nicht aufscheinen. Dieser methodische Unterschied erklärt auch, warum die Schweiz hier als fast homogenes Gebiet erscheint: Die für die deutschschweizerischen Mundarten bekannten (und auch vorgegebenen) Varianten wan und weder tauchen auf der vorliegenden Karte kaum oder gar nicht auf. Weder wurde zwar häufig als eine unter zwei oder mehr Varianten genannt, allerdings an keinem Ort in der Deutschschweiz so häufig, dass es als Erst- oder Zweitvariante auf der Karte aufscheint. Belege der (recht neuen) Variante wie finden sich vor allem in den nördlichen, an Deutschland angrenzenden Gebieten, und wan wurde vor allem aus dem Wallis gemeldet. Das entspricht den Ergebnissen der Erhebungen für den „Syntaktischen Atlas der Deutschen Schweiz“ (SADS), vgl. Friedli (2012, S. 73ff., v.a. Karten 6 bis 9). Bei weder zeigt sich dort, dass viele Informanten diese Form kennen, jedoch nur wenige sie verwenden, was auch ein Indikator dafür ist, dass „weder im Schwinden begriffen ist“ (ebd., S. 75).

Die schulgrammatische Regel hat sich in der Alltagssprache offenbar nie ganz durchsetzen können. Obwohl Sprachpfleger nicht müde werden, insbesondere das wie nach Komparativ als „Sprachfehler“ zu brandmarken, hat es sich im Sprachgebrauch fast hartnäckig gehalten. Dafür gibt es eine durchaus plausible Erklärung: Es ist nicht unbedingt notwendig, den Unterschied zwischen Vergleichskonstruktionen, die Übereinstimmung/Gleichheit anzeigen, und denen, die Nichtübereinstimmung/Verschiedenheit ausdrücken, auch noch durch Partikeln eindeutig zu markieren, denn ersteres wird bereits hinreichend durch so und den (unmarkierten) Positiv des Adjektivs und letzteres durch den (mit der Endung -er markierten) Komparativ gekennzeichnet.