Begleiter des Nikolaus


Begleiter des Nikolaus (Frage 1i)

Der Brauch, dass am 6. Dezember, dem Tag des heiligen Nikolaus, die Kinder für ihr Verhalten während des Jahres belohnt oder bestraft werden, hat zunächst einmal damit zu tun, dass der Heilige infolge verschiedener Wundererzählungen Patron der Kinder und insbesondere der Schüler wurde. Darüber hinaus wird dieser Brauch damit in Zusammenhang gebracht, dass jahrhundertelang (mindestens vom 14. Jahrhundert bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1962–1965) in der katholischen Kirche für diesen Tag die Lesung des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Mt 25,14-23) vorgesehen war: Darin geht es darum, ob vom Herrn anvertraute Gaben fruchtbringend genutzt worden sind oder nicht, und in diesem Kontext wurde es üblich, auch Kinder zu prüfen, wie sie die  "Gaben" der religiösen und weltlichen Unterweisung genutzt haben (s. Mezger 1993:111)  – und sie dementsprechend zu belohnen oder zu bestrafen. Nach dem Brauch bekommen die Kinder Geschenke zur Belohnung, wobei die Figur des Sankt Nikolaus als Überbringer auftritt (vgl. auch die Karte Christkind/Weihnachtsmann). Das Bestrafen ist dagegen meistens Aufgabe einer anderen Figur, die ihn begleitet. Traditionelle Erscheinung und Verhalten dieser Figur sind nicht überall gleich, teilweise handelt es sich auch um eine ganze Gruppe von Gestalten statt einer einzigen (vgl. etwa  https://fr.wikipedia.org/wiki/Compagnons_de_saint_Nicolas). Es ist jedoch deutlich, dass es sich allgemein um böse Gegenfiguren zu der Heiligenfigur handelt, die oft durch Teufels-Attribute wie Hörner charakterisiert waren (s. Mezger 1993:43–58; 151–170).

Die Karte zeigt, dass der Begleiter des Nikolaus noch weithin bekannt ist, nur aus Teilen von Ostdeutschland, vor allem aus Sachsen, kam etwas häufiger die Meldung, der Nikolaus-Brauch sei unbekannt; dies dürfte damit zu tun haben, dass es sich um einen christlich begründeten Brauch handelt (vgl. auch die Karte zu den Bezeichnungen für Kirchendiener).

Auch den InformantInnen aus Sachsen ist jedoch meistens ein Nikolaus-Begleiter geläufig, und zwar unter dem Namen Knecht Ruprecht – wie überall sonst in Deutschland außer in Altbayern. Der Vorname Ruprecht (Rupert, Robert usw.) kann auf die Bestandteile ahd. (h)ruod- 'Ruhm' und -beraht 'glänzend, hell' zurückgeführt werden, die auch in anderen Vornamen vorkommen; unklar ist allerdings, ob der Name des Knechts Ruprecht auf diesen Vornamen zurückgeht, etwa durch dessen Verwendung als Name für den Teufel, oder ob er sich anders erklärt, nämlich als 'rauher Percht', (s. Mezger 1993:159 und die dort angegebene Literatur). Perchten sind Figuren des alpenländischen Winteraustreibe-Brauchtums (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Percht ), die gut und böse sein können und im letzteren Fall furchterregende Masken tragen. Eine mögliche Erklärung ihres Namens ist wieder ahd. beraht 'glänzend, hell', das in deutschen Übersetzungen für Epiphanie (Fest am 6. Januar, mhd. perhttag, s. Lexer) vorkommt. Auch das Wort Rüpel für einen grob unhöflichen Menschen geht auf den Namen Ruprecht zurück, Kluge vermutet, dass die Figur des Knechts Ruprecht hinter dieser Bedeutungsentwicklung steht.

In Altbayern und in ganz Österreich und Südtirol wird der Nikolaus dagegen vom Krampus begleitet. Dieser Name gehört wohl zu Wörtern wie krammen 'mit den Klauen packen' bzw. Krampe 'Kralle' (vgl. DWB, Kluge) und bezieht sich auf Erscheinung und Verhalten der Figur. (Dennoch ist deren Name in diesem Gebiet auch zur Bezeichnung des freundlichen Hefegebäckmanns geworden, der am Nikolaustag gebacken wird.)

In der deutschsprachigen Schweiz heißt der Begleiter des Nikolaus Schmutzli, was höchstwahrscheinlich auf sein Erscheinungsbild zurückgeht, er tritt als schmutziger, mit Lumpen bekleideter Mann auf.

In Ostbelgien kennt man die Figur dagegen als Hans Muff. Diese Bezeichnung, die auch in der deutschen Eifel noch vorkommt (s. a. RhWb), gehört zu lautmalerischen Wörtern wie muffelig/Muffel bzw. Muff 'mürrischer, unfreundlicher Mensch' (Duden Online-Wb., DWB). Hieraus entstand im Niederländischen die pejorative Bezeichnung mof für einen Deutschen – auch die Kombination Hans Mof als Schimpfwort für deutsche Immigranten ist im 16. und 17. Jh. belegt (s. EWN). (Auch weitere traditionelle Nikolausbegleiter haben bzw. hatten Namen nach diesem Muster, so Hans Trapp im Elsass oder Hans Crouf in der Lütticher Region.) Hans erklärt sich hier einfach als besonders häufiger Vorname, der vielfach z.B. in spöttischen Bezeichnungen wie Hansdampf und Hans Narr oder auch Hanswurst erscheint, aber auch (in Kombinationen oder allein) als verhüllender Name für den Wolf (Grauhans), den Henker, den Tod oder den Teufel (s. DWB Bd. 10, Sp. 457–462).

In Luxemburg heißt der Begleiter des Nikolaus Houseker; als Erklärung ist auf die frühneuzeitliche Bezeichnung Husecke für ein Art Mantel (aus frz. housse, s. DWB) verwiesen worden, der danach charakteristisch für die Figur wäre (s. https://infolux.uni.lu/vu-wou-kennt-den-houseker/).

Auffällig ist, dass in dem Kartenbild – abgesehen von dem gemeinsamen altbayrisch-österreichischen Krampus-Gebiet – sehr klar die Staatsgrenzen hervortreten. Die bei Mezger (1993:151) abgedruckte Karte aus dem Wörterbuch der deutschen Volkskunde nach älterem volkskundlichem Datenmaterial zeigt demgegenüber eine erheblich komplexere Situation mit zahlreichen verschiedenen Bezeichnungen von Nikolaus-Begleitern auch innerhalb von Deutschland und Österreich. Wahrscheinlich erklärt sich die Veränderung damit, dass die Bekanntheit der Figur heute oft nicht mehr auf lokale Bräuche zurückgeht, sondern durch überregionale Kultur, Medien und kommerzielle Nutzung jahreszeitlicher Traditionen vermittelt ist.

[Mitarbeit: Rémi Servaty]