Verkleinerungsform

13_4g_Diminutiv

Kätzchen / -le / -la / -li / Katzerl (Frage 4g)

In der Standardsprache gibt es zwei Möglichkeiten, um eine Verkleinerungsform zu bilden: -chen und -lein. Gebräuchlicher ist heute normalerweise -chen, -lein findet man bei Wörtern mit Auslaut auf -ch, -g, -ng (Heftchen, Öhrchen, aber Büchlein, Äuglein) und ansonsten eher in älteren oder archaisierenden literarischen Texten (Duden online: „Bildungen zum Teil dichterisch, altertümelnd, landschaftlich“). Nachdem in ahd. Zeit offenbar überhaupt noch wenig Verkleinerungsformen verwendet wurden, wurde im hochdeutschen Sprachraum zunächst -lein (-lîn) häufiger, und in der Schriftsprache setzte sich dann ab dem 15./16. Jh von Norden her immer mehr -chen durch, zunächst „in der Prosa des gemeinen Lebens“, während -lein „in der Poesie oder dem höheren Schwung der Rede“ seinen Platz behielt (DWB Bd. 2, Sp. 615). Luther verwendete in Briefen -chen, in der Bibelübersetzung jedoch -lein. (ebd.) Adelung erklärt Ende des 18. Jahrhunderts noch, dass -chen in die „vertrauliche Schreibart“ passe, jedoch „in der höhern und erhabenen Schreibart für niedrig gehalten“ werde und -lein dieser Schreibart angemessener sei (Adelung 1793-1801 Bd. 1, Sp. 1326).

Nach Seebold (1983: 1254) war -lein allerdings schon in der Mitte des 18. Jhs. in der Schriftsprache vollständig durch -chen ersetzt, erlebte dann jedoch eine Renaissance im Kontext der Romantik mit ihrer Tendenz zu volkstümlicher und archaisierender Sprache. Das DWB (Bd. 2, Sp. 615) beschreibt die Wirkung 1860 jedoch wie schon Adelung als „traulicher, natürlicher“ für -chen und „feierlicher, edler“ für -lein. Hiervon abgegrenzt werden allerdings die regionalen Formen auf -le, -li, -el etc., die auch „der traulichen rede und prosa zustehn“ (ebd.).

Diese regionalen Diminutive -le, -li, -e(r)l sind abgeschwächte Formen mit derselben Herkunft wie -lein:  Sie alle gehen auf eine Kombination der Suffixe -l und -īn zurück, die sich dann insgesamt als Diminutivsuffix ahd. –(i)līn etabliert (vgl. Kluge; Pfeifer; EWN). Bei -erl erklärt sich das r nach Pfeifer über diminuierte Wörter mit -er (Fingerl), deren zweite Silbe -erl dann insgesamt als Diminutivsuffix umgedeutet und auf andere Wörter übertragen wurde.

Auch -chen geht zurück auf die Kombination zweier Suffixe, -k und wiederum -īn (woher letzteres stammt, ist unklar, vgl. Seebold 1983: 1253). Hieraus entstand das niederdeutsch-niederländische Diminutivsuffix -(i)kīn > -ke(n) (vgl. etwa ruhrdeutsch Pilsken ‘kleines Pils’ oder nl. Manneken Pis), das sich im hochdeutschen Raum erst in fnhd. Zeit in der hochdeutschen Form -chen verbreitete. Das ursprüngliche ī in dem Suffix ist der Grund dafür, dass Verkleinerungsformen im Deutschen in der Regel Umlaut haben: Händchen, Männlein – auch bei neuen Verkleinerungsformen findet man sehr häufig den Umlaut (Böxchen/Böxle ‘kleine Box’ o.ä.).

Die Karte zeigt für das Beispiel ‘kleine Katze’, wie klar verteilt die Varianten des Diminutiv-Suffixes auch in der heutigen Alltagssprache noch sind: Nördlich des Mains sagt man durchweg Kätzchen, in Bayern und Baden-Württemberg, mit einem Ausläufer am Südrand der Pfalz, verwendet man dagegen fast überall die l-Varianten. So heißt es in Baden-Württemberg, Vorarlberg, Bayerisch Schwaben, und Unterfranken Kätzle, in Mittel- und Oberfranken Kätzla, in der Pfalz und Lothringen Kätzel, in der Schweiz Kätzli (im Wallis jedoch Chatzi). In Altbayern und der Oberpfalz ist dagegen wie im größten Teil von Österreich Katzerl üblich (ohne Umlaut), im östlichen Kärnten und in Südtirol Katzl. -chen wurde in diesem Gebiet nur vereinzelt angegeben, besonders in der Umgebung von Großstädten (Nürnberg, München, Wien).

Im Vergleich zur Verteilung in den Dialekten um 1900 / Anfang des 20. Jhs. (WA Kt. 440‚ Stückchen‘, 490 ‚Mäuerchen‘; s.a. Seebold 1983: 1252, König et al. 2019 S. 157 [1]) hat sich das Bild im Großen und Ganzen nur in wenigen Gegenden geändert, der Nord-Süd-Gegensatz zwischen -chen und -lein ist ziemlich unverändert. Nur ist das große niederdeutsche -ke(n)-Areal im mitteldeutschen -chen-Gebiet aufgegangen, das ehemalige -el-Gebiet am Südrand von Sachsen und Thüringen ist auf wenige Reste von -l / -el reduziert und -li, das in der Dialektkarte auch noch in ganz Baden vorherrscht, ist zu einer spezifisch schweizerischen Variante geworden. In der Alltagssprache ganz verschwunden ist außerdem das Diminutivsuffix -ing in Mecklenburg-Vorpommern.

Verglichen mit der WDU-Karte zur Verbreitung des Diminutivs Haserl ‚kleiner Hase‘ (WDU II Kt. 122) erscheint Katzerl in unserer Karte noch etwas weiter im Norden, in der Oberpfalz; in Österreich zeigt sich das Areal dagegen unverändert.

[1]   Nach O. Bremer in Großer Brockhaus Bd. 4, Leipzig 1930.