schal / lack / fad / ausgeraucht / oterlos
schal / lack / fad / ausgeraucht / oterlos (Frage 4i)
Bier mag man ungern trinken, wenn es abgestanden ist und nicht mehr viel Kohlensäure hat. Für diesen Zustand gibt es eine Reihe von Bezeichnungen in der Alltagssprache.
In den meisten deutschsprachigen Gebieten (außer den dialektal bairischen Räumen sowie Vorarlberg, dem Osten Schwabens sowie einigen Regionen der Deutschschweiz) sagt man Das Bier ist schal. Das Wort stammt aus dem Mittelniederdeutschen und ist mit dem englischen shallow ‘seicht, flach’ und dem schwedischen skäll ‘mager, dünn, fade, säuerlich’ verwandt; es wurde im 14. Jahrhundert ins Mitteldeutsche und im 16. Jahrhundert in die überregionale hochdeutsche Schriftsprache übernommen (Pfeifer).
In vielen Orten des oberdeutschen Sprachraums ist das Wort fad üblich. Es wurde vor allem aus Österreich (außer Vorarlberg), der Oberpfalz und Südtirol gemeldet, daneben vereinzelt aus Württemberg und der Deutschschweiz. Das Wort fade ist im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt worden (Pfeifer) und im gesamten deutschsprachigen Gebiet werden (zu) wenig gesalzene und/oder gewürzte Speisen mit dem Wort charakterisiert (s. die AdA-Karte fad(e)/laff, https://www.atlas-alltagssprache.de/r12-f4h/). Besonders im dialektal ostoberdeutschen Sprachraum, wo es regulär zu fad verkürzt ist, wird es auch allgemein für ‘langweilig’ verwendet (s. die AdA-Karte langweilig/fad(e), https://www.atlas-alltagssprache.de/r12-f4h/).
In Österreich (außer dem Westen) wurde neben fad auch häufig ausgeraucht genannt. Ausrauchen bedeutet in den bairischen Varietäten in Österreich nicht nur ‘zu Ende rauchen’ – wie im gesamten Sprachgebiet –, sondern auch ‘sein Aroma verlieren‘ (z.B. der Kaffee raucht aus; s. ÖWB). Von daher wird ausgeraucht wohl auf den verloren gegangenen Geschmack des abgestandenen Biers bezogen.
In einem geschlossenen Gebiet von Ostschwaben über Bayerisch-Schwaben bis nach Ober- und Niederbayern ist das Wort lack üblich. Das Wörterbuch von Schmeller gibt –unter der Form läck – als Bedeutung ‘lau, matt’ an (BWB Bd. I, 142); zu den heutigen Dialektbelegen in der neuen Datenbank Bayerns Dialekte Online finden sich die für unseren Kontext einschlägige Bedeutungsangabe ‘abgestanden, schal’ (BDO [https://bdo.badw.de/suche?lemma=lack&options%5bexact%5d=1&options%5bcase%5d=1&options%5bhighlight%5d=0]). Vermutlich lässt sich lack zu dem Substantiv Lache stellen, das zumindest in den Dialekten Bayerisch-Schwabens neben ‘Pfütze’ auch ‘Jauche(grube)’ sowie eine ‘große Menge (an [zu trinkender] Flüssigkeit)’ und speziell eben auch ‘abgestandenes, fades Bier’ bezeichnen kann (DWbBS).
Ein spezifisch in Vorarlberg verwendetes Adjektiv ist oterlos. Hier liegt eine lautliche Variante zu atemlos vor. Das Schweizer Idiotikon (Bd. III, Sp. 1428) verzeichnet unter âtem- [lōs] ‘fade, geschmacklos’ für Ap[penzell], dem fast an Vorarlberg grenzenden Kanton, die Form ōter- – mit einem eingeschobenen r für den Nasal (vgl. Vetsch 1910: §168).
Wie bei den Bezeichnungen zu sehen ist, beziehen sie sich nicht immer ausschließlich auf Bier, sondern auch auf andere Getränke und Speisen, zuweilen auch auf Personen oder Situationen, z.B. ein schaler Geschmack; ein ausgerauchter Kaffee; eine fade Suppe (vgl. KSdS, S. 106f.), ein fader Film / Mensch; eine atemlose Suppe (vgl. KSVL, S. 115).
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- 15.08.2024