auf-/fertig-/zusammenessen


 

aufessen / fertigessen / zusammenessen (Frage 4i)

Um auszudrücken, dass etwas vollständig gegessen wird, ohne Rest (Beispielsatz: Ich esse die Pizza noch ...), wird überall im deutschen Sprachraum essen mit einem Zusatz kombiniert, einer Verbpartikel oder einem Adverb. In den meisten Gebieten von Deutschland und Ostbelgien, im Süden und Westen von Österreich und in Südtirol und Liechtenstein sowie im größten Teil der Schweiz heißt es aufessen. Aufessen im Sinn von 'vollständig essen' ist schon in der Lutherbibel belegt (DWB), auch im Niederländischen existiert das etymologisch entsprechende Verb opeten mit derselben Bedeutung. Im Niederländischen kann op auch als eigenständiges Adverb die Bedeutung 'so, dass nichts mehr davon übrig ist' haben (Van Dale). Im Deutschen kennt man auf als eigenständiges Wort (Präposition oder Adverb) dagegen nur in räumlicher Verwendung oder (umgangssprachlich) im Sinn von 'geöffnet, offen' (z. B. ein Fenster aufmachen, https://www.atlas-alltagssprache.de/r8-f4l-2/). Als Partikel im Sinn von 'restlos' begegnet auf- aber in einer Reihe von Verben, nicht nur semantisch nah bei aufessen angesiedelten wie auffressen, auflecken oder auch (eine Zigarette) aufrauchen, sondern z.B. auch aufbrauchen, aufräumen, aufkaufen oder aufarbeiten. Das DWB sieht den Zusammenhang mit der räumlichen Bedeutung darin, dass „die erreichte höhe zugleich gipfel und vollendung [bezeichnet], wer aufgeklommen ist, hat sein steigen zu ende gebracht und so entspringen die vorstellungen des aufessens, aufzehrens, aufkaufens, ohne dasz man sich dabei noch ein empor zu denken hat, obschon der aufkaufende zugleich auch aufhäuft, wie in aufbauen fertig bauen und in die höhe bauen gelegen ist."(DWB I, Sp. 607).

In einem südwestlichen Streifen vom Süden Ostbelgiens über Rheinland-Pfalz, das Elsass und Baden bis in den Westen der deutschsprachigen Schweiz wurde neben aufessen häufiger fertig essen angegeben, streckenweise sogar vorwiegend. Gelegentliche Zweitmeldungen von fertig essen finden sich auch noch bis nach Hessen, Franken und Vorarlberg, weiter nördlich und östlich jedoch nicht mehr. Dieser Ausdruck entspricht einem auch in der Standardsprache produktiven Muster mit fertig in der Bedeutung 'vollständig' (kombinierbar mit ganz verschiedenen Verben wie etwa umgraben oder scannen). Die Herkunft des Worts verweist jedoch auf eine spezifischere Ursprungsbedeutung: fertig ist eine Ableitung von Fahrt, gemeint war zunächst ‘zur Fahrt, zum Gehen bereit, gerüstet’ (Pfeifer, DWB), daraus wurde allgemeiner 'bereit, vorbereitet' und schließlich 'abgeschlossen, vollendet'.

Im Norden von Württemberg wird neben aufessen teilweise auch vollends essen angegeben. Vollends gehört zu voll, zunächst (ahd./mhd.) war die Form nur vollen, dann hat offenbar eine Anlehnung an End(e) und vollenden stattgefunden, die sich auch in der Bedeutung zeigt: Wie bei vollends essen ist mit vollends nicht nur 'in höchstem Maße' gemeint, sondern auch 'abschließend' (s. Pfeifer, DWB).

In Altbayern und dem größten Teil von Österreich ist dagegen zusammenessen üblich (weniger in Kärnten und Tirol, gar nicht in Vorarlberg gemeldet, wo man zumeist aufessen sagt, wie auch teilweise in Südtirol). Wie bei aufessen ist die Bedeutung der Verbpartikel hier so weit von der Bedeutung des Adverbs zusammen entfernt, dass das Wort nicht unmittelbar durchsichtig ist. Zusammenessen gehört wohl in eine Reihe mit Verben wie jdn. zusammenschlagen, etw. zusammenschießen, jdn. zusammenscheißen ('in vernichtender Weise ausschimpfen'), deren Gemeinsamkeit mit dem Adverb zusammen das DWB folgendermaßen erklärt: "seiner herkunft nach bezeichnet zusammen die richtung mehrerer vorgänge oder eines vielfachen vorganges auf ein ziel [...] aus dem zusammenwerfen auf einen haufen ergibt sich die damit verbundene beschädigung, vernichtung. daher entsteht die bedeutung des schädigens und zerstörens vieler verbindungen mit zusammen" (DWB, XXXII, Sp. 730, 735).