trauen

trauen (Frage 6b)

Die Frage nach der Verwendung von Konstruktionen mit dem modalverbähnlichen Gebrauch von sich nicht trauen + (zu[m]) Infinitiv in der Bedeutung ‘etw. zu tun wagen’ in einer Perfektform hatte durchaus experimentellen Charakter, da es in den Grammatiken – soweit wir sehen – dazu bisher kaum Angaben gibt und wir uns daher zunächst nur nach ersten Beobachtungen zum regional verschiedenen Gebrauchs orientieren konnten. Die aus den Antworten erstellte Karte zeigt ein recht buntes Bild (die Legende führt alle abgefragten Formen auf), die gleichwohl bestimmte regionale Verwendungspräferenzen erkennen lässt. Diese lassen sich nach verschiedenen grammatischen Gesichtspunkten unterteilen:

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Der erste Gesichtspunkt betrifft den Kasus des Reflexivpronomens. Im gesamten westlichen Gebiet des deutschen Sprachgebiets von Schleswig-Holstein bis zum Saarland und Rheinland-Pfalz (außer Luxemburg) wird überwiegend die Akkusativform (mich, hier blau markiert) verwendet. Im übrigen Sprachgebiet dominiert – abgesehen vielleicht von Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Vorarlberg, Südtirol und Kärnten – der Dativ (mir, hier mit Rot- und Violetttönen markiert). Die Aussage des Duden-Zweifelsfälle (2007, 887), dass der Dativ „seltener“ sei, trifft schon mit Blick auf die Karte nicht zu.
Zweitens gibt es bei der abgefragten Perfekt-Konstruktion deutliche regionale Unterschiede in Bezug auf die Verwendung des von trauen abhängigen Infinitivs mit oder ohne die Infinitivpartikel zu (bzw. zum, vgl. zu dieser Differenzierung wiederum die Karten zu/zum tun, zu/zum regnen an/an zu regnen, auszuhalten/auszumhalten/zum aushalten). Man sieht, dass Konstruktionen ohne zu(m) (hier symbolisiert durch Dreiecke) vorwiegend aus dem österreichischen und deutschen Sprachraum südlich der Mainlinie gemeldet wurden („Ich hab’s mir/mich nicht sagen trauen/(ge)traut.“), während in allen anderen Regionen offenbar die Infinitivpartikel verwendet wird (durch gefüllte Kreise symbolisiert). Die Verwendung ohne zu lässt sich auch in Dialekten nachweisen (vgl. etwa SchwWb, II: „Traust du davon essen“; WbWienerMa: „des drauad i mi ned falanga“ ). Damit ergibt sich eine ähnliche regionale Verteilung wie auf der Karte nicht brauchen(zu) + Infinitiv.

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Schließlich lassen sich Unterschied hinsichtlich der Verwendung der Form von trauen ausmachen. Dazu wurde die oben stehende Karte ein wenig modifiziert: Ganz überwiegend wird die Konstruktion mit einem Partizip (mit oder ohne ge-Präfix) gebraucht (hier nun hell- und dunkelblau gekennzeichnet). Diese weisen noch zwei Stellungsvarianten auf : Vor allem in der Schweiz und in Baden-Württemberg wird das Partizip tendenziell vorgezogen (Ich hab’s mir nicht (ge)traut zu(m) sagen.), während es sonst eher nachgestellt wird (z. B. Ich hab’s mir nicht zu(m) sagen (ge)traut.) In Bayern sowie im Westen Österreichs herrscht jedoch offenbar die Verwendung einer Infinitivform vor (das sind die rötlichen – roten und rosafarbenen – Punkte und Dreiecke), die durchaus mit dem ,Ersatzinfinitiv‘ der Modalverben (z. B. in „Ich hab’s nicht sagen können.“) vergleichbar ist.

Die am stärksten dem Gebrauch der Modalverben ähnelnde Form ist die aus Bayern und Tirol gemeldete Konstruktion mit Ersatzinfinitiv ohne zu: „Ich hab’s mir nicht sagen trauen.“ Die am weitesten davon entfernte Form lautet: „Ich hab’s mich/mir nicht zu sagen getraut.“