Duzen/Siezen – Mitarbeiter zu Mitarbeiter
Anrede mit Du oder Sie + Vornamen oder Nachnamen – Mitarbeiter zu Mitarbeiter (Fragen 6c bis 6e)
Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 31.12.2011 findet sich ein Artikel von Burkhard Müller mit dem Titel „Bei so viel Sympathie – sag ich nicht gerne Sie“ und dem Untertitel „Tages-Du, Münchner Du, 3000-Meter-Du: Das ,Du‘ ist reicher an Fallstricken, als man es dem kleinen Wort zutrauen möchte“. Es geht darin – neben der allgemeinen Zunahme des „Du“ („bis mindestens 1960 […] siezten sich junge Leute auf der Tanzfläche, es siezten sich selbst Studenten untereinander“) – auch um regionale Varianten des Duzens, etwa um das „Münchner Du“ oder das „Hamburger Sie“, die das Anredesystem des Deutschen verzwickter machen, als es die bloße Gegenüberstellung von ,Duzen‘ und ,Siezen‘ vermuten lässt (vgl. dazu schon Glück/Sauer 1997, 119ff.).
Wie viele Sprachen unterscheidet das Deutsche grundsätzlich zwei Anredeformen, eine vertrauliche mit Du (/Dein/Dir etc.), und eine höfliche mit Sie (/Ihre/Ihnen etc.). Dieses binäre System herrscht etwa seit der Französischen Revolution in den deutschsprachigen Ländern vor. Gegenüber dem anglo-amerikanischen Raum mag die Differenzierung zwischen dem Duzen und dem Siezen im Deutschen kompliziert erscheinen, gegenüber den Anredesystemen früherer Jahrhunderte, etwa dem ständisch orientierten Anredesystem der absolutistischen Zeit, stellt es schon eine große Vereinfachung dar (von Polenz 1999, 383ff.). Berücksichtigt man jedoch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten des Duzens und Siezens mit der Nennung des Vornamens oder des Nachnamens, ergibt sich wiederum ein komplexes System, das auch regional durchaus differenziert ist. Bei 6 (a) bis 6 (g) war nach solchen Kombinationen gefragt. Die grundlegende Fragestellung lautete: „Benutzt man an Ihrem Ort – im normalen, nicht scherzhaften oder ironischen Gebrauch – folgende Kombinationen von Anredeformen oder Formeln?“ Bei den Fragen 6 (c) bis 6 (e) ging es um Anredeformen unter gleichrangigen Mitarbeitern am Arbeitsplatz:
Nachname + Duzen (Frage 6c)
Mitarbeiter zu Mitarbeiter (gleichrangig): Müller, wann kommst du morgen?Das Duzen mit Nennung des Nachnamens unter gleichrangigen Mitarbeitern ist im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet. Im Osten und im Norden Deutschlands ist es vielerorts „unüblich“. Aus allen anderen Gebieten wird überwiegend gemeldet, dass es „ab und zu“ vorkomme; vielfach ist es eine „übliche“ Anredeform.
Herr/Frau + Nachname + Duzen (Frage 6d)
Mitarbeiter zu Mitarbeiter (gleichrangig): Herr/Frau Müller, wann kommst du morgen?Das Duzen mit der Anrede Herr/Frau und der Nennung des Nachnamens wird manchmal als „Münchner Du“ bezeichnet, z. B. in dem oben erwähnten Beitrag der Süddeutschen Zeitung in Glück/Sauer (1997, 122); es heißt aber gleich dazu, dass es „nicht sehr verbreitet“ sei (ebd.). Diesen Eindruck bestätigt die Karte 6 (d). Nach ihr kommt diese Anredeform in einigen Gebieten im Osten Österreichs, in Ostdeutschland oder in anderen Regionen Deutschlands „ab und zu“ vor. Ansonsten ist sie aber schlicht „unüblich“ – gerade auch in München und den meisten Orten Bayerns.
Vorname + Siezen (Frage 6e)
Mitarbeiter zu Mitarbeiter (gleichrangig): Thomas, wann kommen Sie morgen?Das „Hamburger Sie“ oder „Hanseatisches Sie“, also das Siezen bei gleichzeitiger Anrede mit Vornamen, ist unter gleichrangigen Mitarbeitern längst nicht so verbreitet wie in der Anrede von Mitarbeitern durch Chefs (s. o. Karte 6a); die areale Verteilung bleibt aber im Grunde ähnlich: In wenigen Orten in Österreich und im Osten Deutschlands ist sie „üblich“, insgesamt häufiger („ab und zu“) ist sie im Norden Deutschlands als im südlichen Teil des deutschsprachigen Gebiets zu hören. Ganz „unüblich“ ist sie wieder in Ostbelgien, im Saarland, in Teilen der Schweiz und im Westen Österreichs.
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- 07.03.2012