Bordstein/Randstein


Bordstein/Randstein (Frage 6i)

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Foto: privat

In Runde 11 war nach Bezeichnungen für den „(meist) gepflasterten Bereich für Fußgänger neben der Straße“ gefragt. Bei den hier kartierten Ausdrücken geht es um jene „für den abgebildeten Abschluss vom Weg für Fußgänger zur Straße hin“. Wie die Bezeichnungen für den Fußgängerweg sind auch die Bezeichnungen für dessen Abschluss relativ neu (d.h. auch in den Dialekten wenig belegt), weil die Sache selbst jüngeren Datums ist. Straßen und Gassen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sahen selten eigene Bereiche für Fußgänger*innen vor; noch vor einigen Jahrzehnten kannten bei einer Befragung einige Informant*innen keinen eigenen Ausdruck für die abgebildete Sache (s. WDU Bd. 1, S. 28).

Die Bezeichnungen für diesen Bereich sind stets zweiteilig, wobei der zweite Teil entweder aus -stein, der Bezeichnung für das Material, oder -rand oder -kante, Bezeichnungen für die Lage des Steins, besteht. Bei zwei Ausdrücken werden Letztere mit Ersterem kombiniert: So ist die Zusammensetzung Randstein ganz im Süden Deutschlands, in der Deutschschweiz, in Österreich und auch in Liechtenstein und Südtirol vielerorts üblich. An wenigen Orten in Schleswig-Holstein heißt es Kantstein.

In vielen Gebieten ist die Wahl des jeweils ersten Bestandteils der Ausdrücke durch die regional übliche Bezeichnung für den erwähnten Bereich für Fußgänger*innen motiviert: Wenn dieser Bereich in der Deutschschweiz, im Elsass und in Lothringen sowie in Luxemburg mit dem frz. Lehnwort Trottoir benannt wird, dann heißt der Abschluss dort entsprechend Trottoirrand oder im Elsass auch Trottoirstein. Promenieren Fußgänger*innen in Österreich und in Südtirol auf dem Gehsteig, so wird der Abschluss entsprechend Gehsteigkante genannt. In der Deutschschweiz und in Österreich wird dieses Prinzip allerdings nicht konsequent angewendet: In der Schweiz konkurriert Trottoirrand und in Österreich Gehsteigkante mit Randstein.

Durchbrochen wird dieses Prinzip der Benennungsmotivation auch in Ostbelgien und in Süddeutschland: Obwohl der Weg für Fußgänger*innen in Ostbelgien und vielerorts in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Baden-Württemberg Trottoir heißt, nennt man den Abschluss dort Bordstein bzw. – im Süden und Osten Baden-Württembergs Randstein. Auch der in Baden-Württemberg für den Bereich für Fußgänger*innen noch üblichere Ausdruck Gehweg wird in der Bezeichnung für den Abschluss nicht wiederaufgenommen; „Gehwegkante/-rand“ ist offensichtlich nirgends die ortsübliche Bezeichnung (und Gehwegstein hat eine andere Bedeutung, nämlich ‘Pflasterstein’). In Bayern, wo der Weg für Fußgänger*innen wie in Österreich und Südtirol Gehsteig heißt – an manchen Orten auch Gehweg –, wird ebenfalls entweder Bordstein oder Randstein verwendet, aber nicht Gehsteigkante (wie in Österreich und Südtirol).

Bordstein ist in Ostbelgien sowie in ganz Deutschland – mit Ausnahme der erwähnten Gebiete im Süden – verbreitet. Bei Bord handelt es sich um ein mit niederdeutscher Schreibung ins Hochdeutsche übernommenes Wort, das ursprünglich den bzw. das aus Brettern gefertigte ‘Schiffsrand, Schiffsdeck’ bezeichnete (Pfeifer; vgl. Ausdrücke wie an Bord (sein/gehen), von Bord gehen, über Bord gehen u.a.). Im Norden und in der Mitte Deutschlands konkurriert Bordstein mit dem Ausdruck Bordsteinkante, in dem die Bezeichnungen für das Material (-stein) und die Lage des Steins (-kante) verbunden sind.

Interessant ist ein Blick auf die entsprechende Karte des Wortatlas der deutschen Umgangssprachen (WDU, Bd. 1, 31) mit Daten aus den 1970er Jahren, da er einige gravierende Unterschiede im Wortgebrauch zeigt. So wurde seinerzeit aus dem Norden Deutschlands mehrheitlich Kantstein (auch Kantenstein) gemeldet, und Bordsteinkante war – neben Bordkante – eine fast ausschließlich auf das Gebiet der damaligen DDR beschränkte Bezeichnung. Am auffälligsten aber ist, dass damals aus dem gesamten Süden des deutschsprachigen Gebiets (aus Süddeutschland ganz überwiegend, aus Österreich und der Schweiz fast ausschließlich) Randstein gemeldet wurde. Möglicherweise handelt es sich um keine wirklichen Veränderungen im Sprachgebrauch, denn die häufige Nennung etwa von Kantstein und Randstein auf der alten Karte mag damit zusammenhängen, dass diese Wörter unter den vier Varianten zu finden waren, die in der Aufgabenstellung vorgeschlagen wurden, und diese explizit nach der Bezeichnung für einen Abschluss-„Stein“ fragte. („Wie heißt an Ihrem Ort gewöhnlich der erhöhte Stein, der die Straße vom Weg für die Fußgänger trennt? Z.B. Kantstein, Bordstein, Randstein, Bordschwelle usw.“) Andererseits wird die heutige Dominanz der Bezeichnungen Bordstein in Deutschland und Randstein in Österreich damit zu erklären sein, dass diese in den jeweiligen Straßenverkehrsordnungen der beiden Länder verankert sind und von dort aus ihren Weg auch in die Alltagssprache gefunden haben. (Im schweizerischen Straßenverkehrsgesetz fehlt ein entsprechender Terminus.)