glaub
glaub(e) (ich) (Frage 2e)
Um mitzuteilen, dass man sich bei einer Feststellung einigermaßen sicher ist, aber nicht ganz, stellt man den Zusatz ich glaube oft nicht an den Anfang des Satzes (womit man von Anfang an die Unsicherheit unterstreichen würde: Ich glaube, der neue heißt Koch), sondern schiebt ihn später in den Satz ein: Der neue heißt, glaube ich, Koch. Die Information ist damit zwar auch als unsicher gekennzeichnet, aber die Äußerung beginnt nicht schon mit diesem Hinweis, und der syntaktisch übergeordnete Satz enthält die Information selbst und nicht die Mitteilung, dass man sich nicht sicher ist. In gesprochener Sprache ist dieses eingeschobene glaube ich sehr häufig und dementsprechend lautlich fast immer verschliffen zu glaubich bzw. glaubi.
Schon das DWB stellt fest, und zwar mit Belegen bis zurück ins 16. Jahrhundert, dass ich glaub / glaub ich „oft in den aussagesatz eingeschoben und mundartlich zu einer art adverb erstarrt“ erscheint (DWB Bd. 7, Sp. 7842), etwa bei Friedrich von Logau (17. Jh.): würd ihr gold doch, gläub ich, weit alles eisen überwiegen (zit. ebd.).
Im Unterschied zu etwa sage ich mal o.ä. ist bei glaub ich oft nicht mehr an Pausen oder Intonation zu hören, dass es sich um einen Einschub handelt, bzw. man kann dies als (weiteres) Indiz dafür ansehen, dass glaub ich in vielen Fällen gar nicht mehr als Einschub zu betrachten ist, sondern sich zu einer festen Einheit weiterentwickelt hat, zu einer Modalpartikel wie wohl (vgl. a. Viesel 2011). Besonders deutlich wird dies, wenn das ich gar nicht mehr erscheint. Schon unter den im DWB (ebd.) aufgeführten mundartlichen Belegen kommen solche vor, bei denen das ich vollständig verschwunden ist und nur noch glaub, glau, glā u.ä. übrig ist. Diese Belege stammen aus verschiedenen Regionen: der Schweiz, der Lausitz, Böhmen.
Interessant ist demgegenüber die Verteilung in der heutigen Alltagssprache: Zunächst einmal entspricht der Gegensatz zwischen glaubich und glaubi einfach dem von ich und i (s. https://www.atlas-alltagssprache.de/runde-2/f25c/). Die eigentlich naheliegende und dialektal (ehemals) offenbar verbreitetere verkürzte Form glaub ohne i(ch) erscheint jedoch klar regional beschränkt, und enger beschränkt als die entsprechenden Belege im DWB, nämlich nur in Baden-Württemberg (dort vorherrschend gegenüber glaubi/glaubich) und in der Schweiz. In der Schweiz ist die spezifisch schweizerische Variante glaubs noch häufiger, die offenbar auf eingeschobenes ich glaube es zurückgeht. An einigen Orten in Bayern, Österreich und Südtirol wird meini statt glaubi als geläufiger betrachtet, die Entwicklung ist hierbei aber dieselbe.
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- 12.12.2023