Straßenbahn/Tram


Straßenbahn/Tram (Frage 6f)

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Foto: Kurt Rasmussen, via Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

In den meisten Teilen des deutschen Sprachgebiets wird für ein elektrisches, auf Schienen fahrendes Verkehrsmittel, das meist nur innerhalb einer Stadt unterwegs ist, die Bezeichnung Straßenbahn verwendet. Straßenbahn ist verkürzt worden aus Straßen-Eisenbahn: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in diversen europäischen Großstädten Bahnen eingeführt, deren Wagen auf Schienen liefen, zuerst von Pferden gezogen, später dann elektrifiziert (s. z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenbahn Berlin, https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenbahn Danzig).

Wie aus den Namen der damaligen Betreibergesellschaften oft abzulesen ist (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Straßen-Eisenbahn), wurden diese Bahnen als Straßen-Eisenbahn bezeichnet, teilweise von Anfang an, teilweise ab der Elektrifizierung (vorher oft Pferde-(Eisen-)bahn). Schon für die Pferdebahnen existierte daneben die aus dem Englischen entlehnte Bezeichnung Tram(way), die sich auch in vielen Nachbarsprachen etabliert hat (z.B. Niederländisch, Französisch, Italienisch tram; slawische Sprachen tramvaj). Auch im Englischen wurde tramway bzw. tramway car zu tram verkürzt, was eigentlich nur die Schienen bezeichnet und etymologisch auf das mittelniederländische trame zurückgeführt werden kann, das 'Balken' bedeutete (Pfeifer, EWN). Neben Tramway wurde im Deutschen auch das halb deutsche Kompositum Trambahn verwendet (z.B. Frankfurter Trambahn-Gesellschaft), durch das sich die Variante mit femininem Genus, also die Tram, erklären dürfte.

Die Tram ist heute offenbar nur in wenigen Gebieten gebräuchlich. In Oberbayern und Ostbelgien (sowie – nach den vorhandenen Daten – in Luxemburg und Teilen von Elsaß/Lothringen) ist dies die allgemein übliche Bezeichnung; in Niederbayern und Südtirol steht Straßenbahn daneben. Auch in der Umgebung von Berlin wurde mehrfach die Tram angegeben, Straßenbahn dominiert hier aber überall. In der deutschsprachigen Schweiz hingegen wird ausschließlich die Bezeichnung Tram verwendet, jedoch als Neutrum (das Tram), was auf die Diminutivform Trambähnli zurückgehen könnte. Offenbar hat sich das Tram als nationale Variante völlig durchgesetzt – 1882 wurde dagegen noch die Zürcher Strassenbahn Gesellschaft gegründet, 1895 die Basler Strassenbahnen, 1900 die Städtische Strassenbahn Bern.

Außer in Bayern und resthaft im Berliner Umland ist Tram also nur noch in Regionen üblich, in denen Französisch oder Italienisch als Kontaktsprache eine Rolle spielen (wohl wegen frz. le tram im Elsass auch der Tram). Ein ganz anderes Wort findet sich dagegen in der östlichen Hälfte Österreichs: Hier wird ‒ neben ebenfalls verbreitetem Straßenbahn ‒ die ansonsten nirgends gemeldete Bezeichnung Bim verwendet, die lautmalerisch das Warnsignal der Bahn wiedergibt.

Der regionale Gebrauch hat sich im Lauf des 20. Jahrhunderts zum Teil verändert (wie man schon im Vergleich mit den Namen der frühen Betreibergesellschaften annehmen kann): Kretzschmer (S. 58) erklärt 1918: "Wir sehen, daß noch in so junger Zeit für neue Erfindungen oder neu eingeführte Gegenstände geographisch verschiedene Bezeichnungen sich einbürgern. [...] Manche solche Unterschiede verschwinden auch wieder. So sagte man in Berlin Pferdebahn, in Wien Tramway, in Süddeutschland ebenso oder Trambahn. Seitdem aber in fast allen Großstädten der Pferdebetrieb durch elektrischen Betrieb ersetzt worden ist, wird vielfach gleichmäßig die Elektrische gesagt." In der Karte des WDU (3-47) mit Umfrageergebnissen aus den 1970er Jahren finden sich Belege für Elektrische noch in verschiedenen Gegenden vor allem in Ostdeutschland und westlich des Rheins, in Bayern dominiert Trambahn, in Österreich ist Tramway häufig (alle drei wurden in unserer Befragung noch gelegentlich genannt, aber vom Anteil her nicht einmal ausreichend für die Kartierung einer Zweitvariante). Dagegen kommt Bim im WDU nur als eine Sondermeldung in der Steiermark vor (in einem Ort ohne Straßenbahn/Tram). Das neue Kartenbild weist also auf eine starke Ausbreitung dieser Variante hin, wahrscheinlich von Wien her nach Westen – was zu der These einer jugendsprachlichen Herkunft passt (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenbahn_Wien#"Die_Bim", danach ist der Ausdruck "seit etwa 1975" in der Wiener Jugendsprache anzutreffen), weniger zu der Annahme einer Verkürzung des älteren Ausdrucks Bimmelbahn (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenbahn) für eine kleine Eisenbahn (der im ganzen Sprachraum vorkommt).