Schnapsglas


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Schnapsglas (Frage 4b)

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Foto: privat

Für ein kleines Glas wie das abgebildete, aus dem Hochprozentiges, z. B. Korn, getrunken wird, gibt es im größten Teil des deutschen Sprachraums keine spezielle Bezeichnung, man sagt Schnapsglas. Anders ist es im Nordwesten und im Südosten.  In Nordrhein-Westfalen und nördlich angrenzend in der Grafschaft Bentheim und im südlichen Emsland heißt es Pinneken bzw. Pinn(t)chen.  Beide Bezeichnungen bilden zusammen ein geschlossenes Gebiet und unterscheiden sich hauptsächlich in der Form des Diminutivs, -ken mit niederdeutschem/niederfränkischem k oder -chen in der hochdeutschen Lautform mit zum Ich-Laut „verschobenem“ k. Die Verteilung der beiden Lautvarianten entspricht aber nicht dem Verlauf der Lautverschiebungsgrenze (Benrather Linie – nach der traditionellen Einteilung die Nordgrenze des hochdeutschen Dialektgebiets), sondern die meisten Pinn(t)chen-Meldungen, bis auf einige südwestlich und östlich von Köln, liegen ebenfalls im niederdeutschen/niederfränkischen Gebiet, wo im Dialekt unverschobenes k gilt. Der Unterschied geht also eher darauf zurück, wo im Alltag noch unverändert die alte dialektale Form üblich ist (so ist bekanntermaßen im westlichen Münsterland das Platt noch lebendiger als in weniger ländlichen Regionen) oder wo dagegen die Alltagssprache so durchgehend hochdeutsch ist, dass man auch dieses Wort ans Hochdeutsche angepasst hat. Auffällig ist – abgesehen vom Nordwesten dieses Areals – die ziemliche deutliche Deckung mit dem Bundesland Nordrhein-Westfalen bzw. auch die klare Grenze zu Ostbelgien hin; eine Erklärung dafür könnte sein, dass es eine regionale Identifikation mit diesem Wort (und Gegenstand) gibt. Aus der Reihe fällt dabei allerdings das Rheintal etwa zwischen Duisburg und Bonn: Hier, wo eine Reihe großer Städte aufeinanderfolgt, wurde das Wort nicht angegeben, während es in den westlich und östlich angrenzenden Gebieten (Eifel, Bergisches Land) noch üblich ist, vielleicht weil sich dort eine traditionelle Kultur des gemeinsamen Trinkens von Hochprozentigem besser erhalten hat. Pinn- geht wahrscheinlich auf das lateinische pinna zurück, das die Bedeutungen 'Feder', aber auch 'Mauerspitze, Zinne', ‘Pfeil' bzw.  allgemein 'spitzer Gegenstand’ hatte und als Lehnwort auch in den germanischen Sprachen spitze Stifte u.ä. bezeichnet (vgl. engl. pin 'Nadel' usw.). In den Dialekten und Regiolekten im Nordwesten Deutschlands ist Pinn als Bezeichnung für kurze spitze Dinge, Nägel, Holzstifte zu verschiedenen bzw. auch unklaren Zwecken weit verbreitet (vgl. DWB XIII, 1861); nach dem RhWb VI, 852 haben sich daraus auch metaphorische Verwendungen für Körperteile usw. entwickelt. Es erscheint insofern plausibel, dass auch das kleine Glas für den „Kurzen“ (Korn) hierher seine Bezeichnung hat. Ein Zusammenhang mit dem engl. und nl. Wort pint für einen Bierkrug bzw. dessen Inhalt, bzw. dem darauf zurückgehenden deutschen Wort Pinte (Kluge 633: „nach der Kanne als Wirtshausschild“), wird dagegen nicht angenommen; dieses Wort kommt von frz. pinte 'geeichtes Gefäß' , das sich wohl mit lat. pincta 'Eichmaß' zu pingere 'malen' (Pfeifer).

Ein ganz anderes Wort wurde dagegen einhellig in Bayern (außer in Teilen Frankens und Bayerisch-Schwabens) angegeben, sowie in Österreich und Südtirol, nämlich Stamperl. Dessen Areal umfasst Franken und Bayerisch Schwaben nicht mehr ganz. Eventuell erklärt sich auch dieses Wort über eine allgemeinere Bezeichnung für etwas Kurzes, Gedrungenes (vgl. Stumpen), es könnte auch eine Beziehung zu stampfen bestehen, über den Vergleich mit der Form eines Mörsers (Kluge 787) oder aber, weil der dicke Fuß des Glases Trinksitten mit kräftigem „Aufstampfen“ des Glases erlaubt (s. DWB XVII, 675 Stampe).