gehören + Part. II


11_3f_gehören

Das gehört geändert (Frage 3f)

Für das Verb gehören gibt das DUW als 6. Bedeutungsvariante (mit landschaftlicher Beschränkung) an: 'für jemanden angebracht sein, jemandem gebühren', und zwar „meist in Verbindung mit einem 2. Part[izip]“, Beispiel: „der gehört eingesperrt!“ in der Bedeutung ‘man sollte ihn einsperren’.

Die Verwendung dieser Konstruktion ist jedoch nicht auf den Bezug auf Personen beschränkt, wie Beispiele wie Sowas gehört verboten! oder aber unser Beispielsatz Das gehört geändert! zeigen. Für beides finden sich zahlreiche Belege im Internet, besonders in Foren, bei Bewertungen u.ä.

Nach unserer Karte benutzt man diese Konstruktion nicht überall: Als üblich wird sie nur südlich der Mainlinie angesehen, im Westen bis zur Pfalz und nach Rheinhessen, nur vereinzelt auch noch weiter nördlich. Der Slogan des ersten Radioprogramms des Südwestrundfunks, SWR1 Rheinland-Pfalz und SWR1 Baden-Württemberg: „Eins gehört gehört. SWR1.“ ist demnach für die HörerInnen im nördlichsten Teil des Sendegebiets nicht mehr so eingängig wie für die anderen; möglicherweise trägt der Slogan aber zur Ausbreitung der Konstruktion bei (vgl. die einzelnen „üblich"-Meldungen im Nordteil von Rheinland-Pfalz). In der Nordhälfte von Deutschland wurde sie überall als höchstens manchmal verwendet oder ganz unüblich eingestuft, mit leichten Unterschieden: In Ostdeutschland überwiegt klar „unüblich", in Hessen eher „manchmal". Aber auch in der Schweiz ist die Konstruktion weitestgehend unüblich, auffällig ist hier die klare Grenze zu Baden-Württemberg (üblich) und Vorarlberg (üblich bzw. manchmal) hin.

Gehören hat hier eine grammatische Funktion bekommen, in der Kombination mit dem Partizip II dient es als eine Art Passiv mit modaler Bedeutungskomponente: A gehört ge-X-t: 'A sollte/müsste ge-X-t werden'. Das Verb gehören geht auf hören zurück; es bezeichnet zunächst ein vollständiges, genaues Hören, schon im Ahd. auch (mit Dativobjekt) mit der Bedeutung 'auf jemand hören' bzw. 'gehorchen’ – ein Zusammenhang von '(zu)hören' und 'Folge leisten' wird ja auch in Wörtern wie gehorchen und gehorsam noch sichtbar, oder wenn mit nicht hören wollen gemeint ist, dass jemand das Gesagte nicht befolgt.

Aus diesem 'auf jemand hören' kam es im 14. Jh. zu der Bedeutung von Zugehörigkeit, von Personen zu einer Familie (vgl. Angehörige), dann aber auch von Dingen zu Besitzern wie im heute üblichsten Gebrauch (mir gehört etwas) (DWB V, 2504ff.). Nach dem DWB (V, 2012ff.) wurde das Verb besonders im Rechtswesen vielfältig verwendet; gehören bezeichnete hier zunächst die Verpflichtung zur Anwesenheit bei der Rechtsprechung und weiter zur Einhaltung derselben, und wurde schließlich für verschiedenartige rechtliche und administrative Regelungen im Hinblick auf Ansprüche und Zuständigkeiten gebraucht. Wahrscheinlich entstand hieraus die Verwendung von (sich) gehören – bzw. es gehört sich – im Sinn von '(jdm.) gebühren, geziemen' (s. Pfeifer, Szatmári 295). Schon ab dem 16. Jahrhundert finden sich Belege von gehören in dieser Bedeutung mit unterschiedlichen grammatischen Konstruktionen, darunter auch schon solche mit dem Objekt der Aktion, die angebracht/angemessen wäre, in Subjektposition (darumb so gehort der mahelring von dem brutgom der gesponsen zu geben, DWB V, 2524; Szatmári, 294 Anm. 18).

Das heutige „gehören-Passiv“ ermöglicht wie das „normale“ Passiv, die agierende Person gar nicht zu erwähnen. Szatmári (296) weist darauf hin, dass diese Passivkonstruktion noch nicht fest in der Grammatik etabliert (grammatikalisiert) ist, wie an ihrer eingeschränkten Verwendung sichtbar wird: Sie erscheint vorwiegend im Indikativ Präsens, nur selten im Präteritum oder im Konjunktiv. Die Karte macht sichtbar, dass ihr Gebrauch darüber hinaus bislang auch regional eingeschränkt ist. (Vgl. auch die regional beschränkte Verwendung des „bekommen-Passivs“, s. https://www.atlas-alltagssprache.de/runde-4/f22c-d/.)