Weißweinschorle/Spritzer


Mischung von Weißwein und Mineralwasser (Frage 6j)

Bei den Antworten auf die Frage, wie die Mischung von Weißwein und Mineralwasser (mit Kohlensäure) zu bezeichnen ist, lässt sich zunächst eine klare Zweiteilung erkennen: In ganz Deutschland ist die Bezeichnung Weißweinschorle üblich, bzw. nur Schorle in der Region zwischen Mainz und Stuttgart sowie in Unterfranken und Baden – also in den deutschen Weinbaugebieten, wo (allerdings abgesehen von Württemberg) traditionell überwiegend Weißwein angebaut und getrunken wird und sich wahrscheinlich daher die Spezifizierung erübrigt. In Baden und Württemberg wird teilweise mit dem Ausdruck Schorle sauer präzisiert, was zum Wein hinzugesetzt wird, nämlich Mineralwasser (regional auch als saurer Sprudel bezeichnet) statt – wie auch üblich – Limonade (süßer Sprudel).

In Österreich und in der Schweiz werden dagegen die Bezeichnungen Spritzer (Österreich außer Vorarlberg und Tirol) bzw. G(e)spritzter verwendet, genauer: g(e)spritzter Weißer in der Schweiz und weißer G(e)spritzter in Niederösterreich und dem angrenzenden Gebiet von Oberösterreich. In Südtirol kommen beide Bezeichnungen vor, wie auch in Elsass/Lothringen und in Ostbelgien scheint das Getränk dort aber weniger bekannt zu sein. In Tirol und Vorarlberg genügt Weiß sauer zur Benennung der Mischung, in der Steiermark auch Mischung.

Dass die Grenzen zwischen den Bezeichnungen so genau den Staatsgrenzen folgen, könnte auch damit zu tun haben, dass die Weinbaugebiete der drei Staaten praktisch nirgends aneinandergrenzen – in den Grenzregionen handelt es sich demnach nicht um ein „bodenständiges“ Getränk. Die Karte des WDU (4-42) zeigt, dass es noch vor einigen Jahrzehnten überall nördlich der Mainlinie, aber auch in der Schweiz und in Tirol offenbar gar keine geläufige Bezeichnung dafür gab. Im übrigen Österreich hat sich der Gebrauch vereinheitlicht, jedenfalls ist auf der älteren Karte im Süden neben Spritzer noch viel häufiger Mischung verzeichnet und in der Nordhälfte überwiegt Gespritzter. (Letzteres erscheint in der Karte auch noch im Rhein-Main-Gebiet, dort jedoch bezogen auf die Mischung von Apfelwein und Mineralwasser.)

Schorle ist eine erst im 20. Jh. üblich gewordene Kurzform der älteren Bezeichnung Schorlemorle, die als Getränkebezeichnung Schurlemurle seit 1740 belegt ist (Pfeifer). Die weitere Herkunft des Worts ist nicht geklärt. Sehr wahrscheinlich handelt es sich jedenfalls um eine spielerische Bildung mit echoartiger Verdopplung unter Veränderung des Anlauts, wie etwa auch bei der systematischen spöttischen „Shm-Reduplikation“  im Jiddischen und Englischen (table-shmable), aber auch bei anderen expressiven „Reimdopplungen“ im Deutschen, vgl. etwa Kuddelmuddel oder Schickimicki u.a. (s. weitere Beispiele bei https://de.wikipedia.org/wiki/Reduplikation_(Sprache)#Reduplikation_im_Schweizerdeutsch). Auch wenn es bei vielen solcher Wörter Erklärungsversuche für die Etymologie des zweiten Teils gibt, bleibt die Feststellung, dass es typischerweise Reimwörter mit m am Anfang sind (vgl. a. EWN Art. schorr(i)emorrie).  Als Familienname ist Schorlemurle schon 1271 belegt, eventuell handelt es sich hier zunächst um eine Bezeichnung für einen aufgeregten Menschen (vgl. Schurimuri, 16. Jh., in dieser Bedeutung), die dann auf das „brausende“ Getränk übertragen wurde (Pfeifer). Kluge verweist dagegen auf das alemannische Verb schure(n) (Entsprechung zu nhd. schauern), das u.a. auch die Bedeutung ‘rauschen, brausend strömen, sprudeln’ hat (Schweizerisches Idiotikon, ElsWb) – zum heutigen Verbreitungsbild von Schorle passt diese Annahme allerdings nicht so gut.

Spritzer und Gespritzter gehen auf das Verb spritzen zurück, dessen Grundbedeutung das DWB mit „in strahl und tropfen gewaltsam springen machen oder springen“ beschreibt (DWB Bd. 17, Sp. 129) - der Wein wird zum „Spritzen“ gebracht bzw. das Getränk „spritzt“ selbst.  Auf das österreichische Wort (und die österreichische Sitte) geht auch das italienische spritz zurück, das sich zunächst auf dieselbe Mischung bezog wie dt. Spritzer, bevor der „gespritzte“ Aperitiv aufkam (vgl. https://it.wikipedia.org/wiki/Spritz nach Alessandro Marzo Magno: 1979 ... [1]).

[Mitarbeit: Dana Bookholt]

[1] Alessandro Marzo Magno (2014): "1979: L'anno dello spritz", in: Il genio del gusto. Come il mangiare italiano ha conquistato il mondo. Milano: Garzanti.