Fahrrad/Rad(l)/Velo


Fahrrad/Rad(l)/Velo (Frage 6c)

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Foto: Ralf Roletschek, via Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Die verbreitetste Bezeichnung für das abgebildete zweirädrige Verkehrsmittel ist Fahrrad: Sie wird in Deutschland fast überall verwendet, außer in Altbayern, und ist außerdem in Vorarlberg üblich. Im ganzen Fahrrad-Gebiet erscheint daneben mehr oder weniger verstreut die Kurzform Rad, meist als Zweitmeldung. Ganz gleichmäßig ist dies jedoch nicht, so häufen sich diese Meldungen u.a. in der Pfalz, in Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben und Vorarlberg, dagegen fehlen sie z.B. in Westfalen und Thüringen. Die Verkleinerungsform Radl hat demgegenüber ein ganz klar abgegrenztes Geltungsareal (das dem Geltungsbereich der Diminutive auf -l ohne Umlaut entspricht, vgl. ww.atlas-alltagssprache.de/r8-f5e-2/"): In Altbayern, in Österreich (außer Vorarlberg) und in Südtirol ist dies nach den Angaben der InformantInnen überall die einzig übliche Bezeichnung; anders als bei dem mehrdeutigen Wort Rad ist hier eindeutig, dass das Verkehrsmittel gemeint ist. In der deutschsprachigen Schweiz, im Elsass und in Lothringen sowie in Luxemburg wird dagegen wie im Französischen Velo verwendet (wobei anders als im Französischen die erste Silbe betont wird). Im Nordwesten kommen noch zwei weitere Formen vor: Fiets findet man an einigen Orten im Grenzgebiet zu den Niederlanden, Leeze erscheint nur in Münster.

Leeze ist ein Wort der Masematte, eines in Münster beheimateten Rotwelsch-Dialekts (s. Siewert 1993). Diese Geheimsprache wird heute nicht mehr gesprochen, einige Ausdrücke sind aber in die Alltagssprache der Stadt übergegangen und haben einen lokalen Identifikationswert bekommen – in der Fahrradstadt Münster eben u.a. das Wort Leeze. Fiets ist im Niederländischen die normale Bezeichnung, die Herkunft des Worts ist – trotz des geringen Alters der Sache – nicht sicher geklärt. Als wahrscheinlichste Erklärung gilt die Herleitung aus einem dialektalen Verb vietse 'sich schnell fortbewegen', das wohl auf frz. vite 'schnell' zurückgeht. Die Annahme einer Verballhornung von frz. vélocipède ist demgegenüber weniger plausibel (EWN).

Bei Fahrrad handelt es sich dagegen um eine Verdeutschung dieses Lehnworts (Kluge) – das Wort wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. zunächst auch noch für andere 'fahrende, d. h. der Fortbewegung dienende Räder', z. B. bei Landmaschinen verwendet (Fahrräder eines Cultivators / eines Grubbers etc., s. (DWDS), Historische Korpora). Velociped (vom frz. vélocipède) war im Deutschen zuerst die übliche Bezeichnung für das in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. entwickelte Zweirad mit Tretkurbelantrieb (neben Bicycle aus dem Englischen, das besonders im Sport auch vorkam). Das Wort ist eine Neubildung aus lat. vēlōx (Genitiv vēlōcis) ‘schnell’ und lat. pēs (Genitiv pedis) ‘Fuß’ (Pfeifer); die auch im Französischen verwendete Abkürzung Velo ist in Teilen des Sprachgebiets, besonders in der Schweiz (s.o.), in Gebrauch geblieben. Die Anfangszeit des Radfahrens und Radsports, das späte 19. Jahrhundert, war jedoch auch eine Hochphase des Sprachpurismus im Deutschen, unter anderem wurden im zentral organisierten Vereinssport viele Lehnwörter durch deutsche Neubildungen ersetzt. So wurde auf dem Velocipedisten-Congress 1884 in Leipzig der Deutsche Radfahrerbund gegründet, und die Karte zeigt, dass sich das deutsche Ersatzwort (Fahr-)Rad überall in Deutschland und Österreich sowie in Südtirol durchgesetzt hat.

[Mitarbeit: Lucie Beaumaikers und Sandra Klein]