Dachrinne

10_08b

Dachrinne (Frage 8b)

Die Vorrichtung am Hausdach zum Auffangen des Regenwassers wird in Deutschland und Österreich zumeist Dachrinne genannt (zum Verb rinnen). Die Variante Regenrinne kommt in Bayern, vor allem um München herum, und Österreich streckenweise als Zweitmeldung vor, häufiger erscheint sie im Norden und Westen Deutschlands, wo sie teilweise flächendeckend als Zweitmeldung präsent ist (Westfalen) oder sogar gegenüber Dachrinne dominiert (Schleswig-Holstein und nördlichen Niedersachsen, Ostbelgien und Eifel, Kölner und Frankfurter Raum, Mittelrhein). Vor allem im Westen (Rheinland-Pfalz, Saarland, Elsaß/Lothringen und auch Schweiz) heben sich Varianten einer ganz anderen Bezeichnung ab, nämlich Dachkandel (Saarland und Pfalz) bzw. Dachkennel (um Koblenz)/-chennel (Chännu etc.) (Schweiz) bzw. (Dach-)Kahne(r), was alles auf das lateinische canalis 'Röhre, Rinne' (vgl. Kanal) zurückgeht. Kulang in Luxemburg verweist dagegen auf frz. coulant (Partizip zu couler 'fließen'). Dachhengel im Osten der Schweiz ist eigentlich -chengel (vgl. Schweizerisches Idiotikon S. 362f.), wobei nicht ganz klar ist, ob es sich einfach um eine Nebenform zu Chennel handelt oder nicht - das Schweizerische Idiotikon (363) verweist die Koexistenz beider Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen in manchen Dialekten und erwägt eine alte Bedeutungsdifferenzierung ebenso wie eine Herkunft von Chengel nicht aus lat. canalis, sondern lat. cannula, cannella 'Röhre'.

Der Vergleich mit den Dialektkarten des RhWA (Kt. 54) und des WRhPS (Kt. 45) zeigt die Verdrängung der dialektalen Bezeichnungen aus der Alltagssprache: In den Dialektkarten gilt in Rheinland-Pfalz und am Westrand bei Aachen überall (Dach-) Kan(d)el/Kän(d)el, während in unserer Karte dort stattdessen schon häufig Regenrinne steht. Noch deutlicher ist die Ablösung des Dialektworts im nördlichen Rheinland: Dass dort, bis etwas zur Uerdinger Linie, im Dialekt durchgehend Kall (was ebenfalls auf lat. canalis zurückgeht) üblich ist/war, ist in unserer Karte nicht mehr zu ahnen, nur gerade noch für Bad Neuenahr-Ahrweiler ist hier Kall verzeichnet.