Pflaumen-/ Zwetschgenmus / Powidl / Latwerge

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Pflaumen-/ Zwetschgenmus / Powidl / Latwerge (Frage 7e)

Gefragt war nach den Bezeichnungen für „einen musartigen Brei“ aus gekochten Früchten des Obstbaums mit dem botanischen Namen prunus domestica, der gesüßt gern als Dessert, Brotaufstrich oder auch als Füllung von Teigwaren gegessen wird.

Abgesehen von den Wörtern Latwerge, das in der Pfalz, und Powidl, das in den dialektal bairischen Gebieten in Österreich üblich ist, sind alle Bezeichnungen Zusammensetzungen aus dem Wort für die Frucht und entweder -mus oder -brei. Die am weitesten verbreiteten Bezeichnungen enden auf -mus, nur wenige auf -brei. Auffällig ist im Vergleich mit den Ausdrücken für eine ähnliche Speise, die aus Äpfeln hergestellt wird, nämlich Apfelmus / Apfelbrei (https://www.atlas-alltagssprache.de/r11-f1b/), dass die hier angeklickten Wörter auf -brei, nämlich Quetschenbrei (in Unterfranken) und Zwetschgenbrei (einige Orte in der Deutschschweiz) kaum raumbildend sind, Apfelbrei jedoch in einem relativ geschlossenen Gebiet (Hessen, Unterfranken, dem Norden Schwabens und Teilen der Pfalz) gesagt wird,

Die Verbreitung der Erstglieder in den Zusammensetzungen stimmt mit der Verbreitung der Bezeichnungen für das Obst überein, siehe die Karte Pflaume, Zwetsch(g)e/Zwetschke und Quetsche [https://www.atlas-alltagssprache.de/r11-f1hg/]. Dementsprechend heißt es im Norden (bis etwa zur Mainlinie) Pflaumenmus. Quetschenmus lautet es im Mosel- und Rheinfränkischen südlich der Mosel – da, wo nicht Latwerge gesagt wird – sowie im nördlichen Elsaß und in Lothringen. In den übrigen Gebieten Süddeutschlands, der Deutschschweiz, in Liechtenstein sowie in Südtirol sagt man Zwetschgenmus (seltener Zwetschenmus oder Zwetschkenmus).

Latwerge und Powidl sind beides Lehnwörter. Latwerge ist in einer Vielzahl von Ausspracheformen in den pfälzischen Dialekten verbreitet (PfWb Bd. 4, Sp. 802, mit Karte [https://www.atlas-alltagssprache.de/literatur/]). Es leitet sich von mittelhochdeutsch latwārje, latwērje u. ä. ab, das auf lateinisch ēlect(u)ārium zurückgeht, und dieses Wort wird wiederum auf altgriechisch ἐκλεικτόν ekleiktón ‘(weiche) Arznei (Leckmittel)’ (wörtlich: ‘was aufgeleckt wird’) zurückgeführt (DWDS [https://www.dwds.de/wb/Latwerge]). Das verweist darauf, dass unter latwārje, latwērje etc. im Mittelalter eine „haltbare Arzneiform“ verstanden wurde, die aus „eine[r] eingedickte[r] Saft-Honig-Zubereitung von dick-zähflüssiger Konsistenz“ bestand (Wikipedia, 23.06.2024 [https://de.wikipedia.org/wiki/Latwerge]) und nicht unbedingt aus Pflaumen-/Zwetschgensirup bestehen musste.

Powidl ist ein Lehnwort aus dem tschechischen povidla ‘(Frucht-) Mus’ (vgl. auch polnisch powidła ‘Marmelade’). Es ist als Ausdruck der böhmisch-ostösterreichischen Küche (und mit typischem Süßgebäck wie Powidlkolatschen) in die Wiener und ostösterreichische Alltagssprache gelangt. Powidl hat sich von da aus in die Alltags- und auch Standardsprache in fast ganz Österreich immer mehr gegen den Ausdruck Zwetschkenmus durchgesetzt (s. ÖWB [https://www.atlas-alltagssprache.de/literatur/]), der auf unserer Karte von Tirol bis zum Burgenland häufig als Zweitmeldung zu sehen ist.