Abendmahlzeit

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Abendmahlzeit (Frage 5f)

Der im deutschen Sprachgebiet am weitesten verbreitete Ausdruck für eine ‘am Abend eingenommene Mahlzeit’ ist einfach Abendessen. Diese Bezeichnung ist nicht nur in Bayern und in Österreich fast überall die normale, auch in Rheinland-Pfalz und Hessen sowie in Ostbelgien und Luxemburg dominiert sie. In Nordrhein-Westfalen ist ebenfalls Abendessen am üblichsten, dort tritt jedoch (wie auch im nördlichen Hessen) schon häufig Abendbrot daneben, und weiter nordöstlich in Ostwestfalen wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein erscheint Abendessen dann nur noch als Nebenvariante hinter Abendbrot. In Ostdeutschland finden sich nur einige Zweitmeldungen von Abendessen neben durchgehend vorherrschendem Abendbrot.

Das Wort Abendessen ist seit dem Mittelhochdeutschen belegt (Lexer Bd. 1, Sp. 11), es ist heute noch ein durchsichtiges Kompositum: Wenn man Abend und Essen kennt, würde man die Gesamtbedeutung auch dann spontan richtig verstehen, wenn man das Wort noch nie gehört hätte. Bei Abendbrot ist das nicht mehr ganz der Fall: Auch wenn viele Leute am Abend tatsächlich belegte Brote essen, gehört das heute nicht zwingend zur Bedeutung des Worts; so finden sich im Internet unter "Abendbrot – Rezepte" z.B. auch Käsespätzle oder Mozzarella-Hähnchen[1]. Die Definition bei Duden online, 'abends eingenommenes [bescheideneres] Essen, zumeist mit Brot', weist aber noch auf den "bescheidenen" Charakter dieser Mahlzeit hin, der auch schon von Adelung angesprochen wird: „eine besonders in Niedersachsen übliche Benennung des Abendessens, vornehmlich, wenn von geringen Personen die Rede ist“ (Adelung Bd. 1, Sp.22).

Statt Abendessen heißt es in der Region zwischen Mainz und Stuttgart auch Nachtessen, in Österreich, besonders im Osten, und in Südtirol wird teilweise Nachtmahl verwendet. Mahl wird außerhalb Österreichs dagegen – anders als Mahlzeit – heute zumeist als gehoben-feierlich empfunden; so wird mit Abendmahl seit der Reformation das Sakrament in der evangelisch-lutherischen Kirche bezeichnet, nach Adelung war hierfür "in den gemeinen Sprecharten" im 18. Jh. auch Nachtmahl üblich (Adelung Bd. 3, Sp. 398, vgl. a. DWB Bd. 1, Sp. 25). Bei Luther kommt aber auch Abendessen in dieser Bedeutung vor (s. DWB Bd. 1, Sp. 24) – die klare Trennung zwischen alltagssprachlichem und religiösem Gebrauch (Abendessen – Abendmahl) ist jünger.

Znachtessen im Elsass und Znacht in der Schweiz beziehen sich auf das Essen ‘zu(r) Nacht’, ähnlich wie Znüni, wörtlich‘zu neun’, die Zwischenmahlzeit am Vormittag bezeichnet (vgl. https://www.atlas-alltagssprache.de/runde-4/f02/ : 'Frühstück am Arbeitsplatz').

Die InformantInnen in Württemberg (in Baden nur vereinzelt) geben dagegen praktisch geschlossen ein ganz anderes Wort an, nämlich Vesper. Dieses Wort geht auf lat. vespera ‘Abend(zeit)’ zurück, in dieser Bedeutung kommt es schon in althochdeutscher Zeit vor (Pfeifer). Von der Tageszeit, zu der man die Mahlzeit einnimmt, verschob sich die Bedeutung dann auf die (kleinere) Mahlzeit selbst, so die Zwischenmahlzeit am Nachmittag am Arbeitsplatz (vgl. WDU I-36, hier auch diverse Vesper-Belege in Nord- und Ostdeutschland) oder in Südwestdeutschland auch auf die Zwischenmahlzeit am Vormittag (vgl. https://www.atlas-alltagssprache.de/runde-4/f02/ : 'Frühstück am Arbeitsplatz'). Schließlich geht die Bezeichnung von der Mahlzeit auch über auf die (einfacheren, kalten) Speisen, die dabei eingenommen werden, vgl. etwa "Willst du [deinem Kind] etwas eigentlich Warmes oder eher nur ein Vesper mitgeben?"[2]

[Mitarbeit: Antoine Hilgers]

[1]  S. https://www.chefkoch.de/rs/s0/abendbrot/Rezepte.html, abgerufen am 12.1.2022. [2] https://www.rund-ums-baby.de/experten/kochen-fuer-kinder/Krippe-bietet-kein-warmes-Mittagessen-an-Was-gebe-ich-mit_38368.htm, abgerufen am 12.1.2022