Kartoffeln/Erdäpfel

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Kartoffeln/Erdäpfel (Frage 1e)

Die Kartoffel ist in unseren Breiten eine noch recht junge Kulturpflanze. Sie gelangte im 16. Jahrhundert zunächst als Zierpflanze von Südamerika nach Europa und ist erst seit dem 18./19. Jahrhundert als Feldfrucht weit verbreitet. Mit der Sache ist aber keineswegs eine einheitliche Bezeichnung in die deutsche Sprache gekommen. Im Wesentlichen konkurrieren in der deutschen Alltagssprache – wie schon in den Dialekten (vgl. König et al. 2015, 206f.) – drei Wörter in verschiedenen Lautformen: Kartoffel, Erdapfel und Grundbirne. Zur Bezeichnung der neuen Frucht bediente man sich also erkennbar vorhandener Wörter für andere ähnlich große oder ähnlich aussehende (Boden-) Früchte. Das ist so bei den Komposita Erdapfel und Grundbirne (auch dem ,Hybrid‘ Erdbirne), aber auch bei der Kartoffel: Dieser liegen die Formen Tartuffel, Tartoffel oder Tartüffel zugrunde, die ursprünglich die ‘Trüffel’ bezeichnete, welche wiederum auf ital. tartufo zurückgeht (vgl. Pfeifer). Der Wechsel im Anlaut rührt möglicherweise daher, dass das behauchte th, wie es in einer an der Schrift orientierten Aussprache von Gelehrten geklungen haben muss (auch in Theater und anderen Lehnwörtern mit anlautendem th), in vielen Mundarten als fremd empfunden und durch einen (bzw. den einzig vorhandenen) aspirierten Plosivlaut, nämlich ein kh, ersetzt wurde (so König 2001, 99).

Die Karte zeigt, dass Kartoffel in Ostbelgien und in Deutschland nördlich der Mittelgebirge sowie über einen Korridor hindurch auch in weiten Teilen Süddeutschlands (v. a. in Bayerisch-Schwaben und Oberbayern) die heute fast ausschließlich gebräuchliche Bezeichnung ist. Grundbirne (bzw. Gromper, Krumper etc.) hört man noch in Luxemburg, Lothringen, dem Saarland, in Rheinland-Pfalz überwiegend und auch in angrenzenden Gebieten Unterfrankens, Baden-Württembergs und des Elsaß sowie in Vorarlberg und im Burgenland. Erdapfel ist die in Südtirol, Österreich, Niederbayern, der Oberpfalz, Oberfranken bis hinauf ins Vogtland dominierende Bezeichnung. In der deutschsprachigen Schweiz, in Baden und im Elsaß herrschen mit h anlautende Varianten wie Herdäpfel/Härdöpfel u. ä. vor. Erdbirne wurde noch auch einigen Städten Mittelfrankens und des Hohenloher Landes gemeldet.

Wenn man dieses Kartenbild mit dem für die alten Dialekte (vgl. König et al. 2015, 206) vergleicht und dann auch mit dem des WDU (4-45), dem Daten aus den 1970er und 1980er Jahren zugrundeliegen, so scheint es, als würde das Wort Kartoffel im Südwesten und im Südosten Deutschlands die Formen von Erdapfel und Grundbirne immer mehr in Randgebiete abdrängen. In der Schweiz und in Österreich ist allerdings keine verstärkte Ausbreitung des Worts Kartoffel feststellbar. Auf lange Sicht scheint sich Kartoffel als Hauptvariante in Deutschland durchzusetzen. Auffällig sind dabei auch die Veränderungen im Norden: Während die WDU-Karte im Osten noch kleinere Gebrauchsgebiete der Varianten Nudel, Knolle und Erdbirne und im Westen der Variante Erdapfel/Erpel ausweist, sind diese auf der jetzigen Karte ganz verschwunden. Den Abbau von regionalen Varianten im Verhältnis zu den Dialekten führt schließlich ein Vergleich mit Lausberg/Möller (2000), die ihre Daten 1996 erhoben haben, deutlich vor Augen: Dort ist für die Dialekte im nördlichen Rheinland als eindeutig dominierende Variante Erpel und nur als kleinräumige Minderheitsvariante (neben dem niederrheinischen Pipper) Kartoffel verzeichnet – auf der aktuellen Karte steht Kartoffel als einzige Variante flächendeckend da.