Schaufel(n)/Schippe

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Schaufel (Frage 3a)

Für das Gerät „zum Aufnehmen von körnig o. ä. beschaffenem Material, besonders von Erde, Sand o. Ä.“ (DUW 2001) konkurrieren zwei Wörter: Schaufel (in der Schweiz in der Form Schufle, im Elsass Schüfel), und Schüppe bzw. Schippe (letzteres wohl von den Regionen mit Umlaut-Entrundung ausgehend). Beide sind mit dem Verb schieben verwandt (vgl. mitteldeutsch schuppen ‘schubsen’), bezeichnen also eigentlich ein ‘Gerät zum Schieben’.

Die Verbreitung dieser Wörter ist interessant: Die zwei großen Schippe-Areale in Ostdeutschland (ohne Sachsen und Thüringen) und im Westen (Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz) hängen nicht zusammen, sondern sind durch einen schmalen Korridor getrennt, der das süddeutsche Schaufel-Areal mit einem norddeutschen verbindet. Von der Form her ist Schippe/Schüppe mit -pp- mitteldeutsch/niederdeutsch (wie Appel oder (sich) kloppen [AdA, Runde 3]), vgl. auch die niederländische Entsprechung schop, aus dem Mhd. ist dagegen schipfe bezeugt (Lexer 1872ff.). Anders als Lippe, das sich durch Luthers Einfluss nach Süden ausgebreitet hat, beschränkt sich Schippe/Schüppe auch ziemlich genau auf diesen Raum. Die Form Schüppe findet sich dabei vor allem im Nordwesten (hier deutlich dominierend), wird aber vereinzelt auch aus Ostdeutschland gemeldet.

Wenn Kretschmer (1969, 410ff.) vor knapp 100 Jahren feststellt, dass Schippe in der Umgangssprache „im Südwesten weit in oberdeutsches Gebiet eingedrungen“ sei, so bestätigt unsere Karte dies nicht (mehr). Ein Vordringen von Schüppe auf Kosten von Schaufel erwähnt allgemein jedoch auch das Rheinische Wörterbuch (RhWb, Bd. 7, Sp. 969).

Schaufel ist demgegenüber (abgesehen vom Diphthong) nicht speziell hochdeutsch (vgl. nl. schoffel ‘Hacke, Spaten, Schaufel’, engl. shovel). Kretschmer berichtet jedoch für eine Reihe von Orten in verschiedenen Regionen (Berlin, Oldenburg, Remscheid, Köln, Heidelberg) eine Abstufung zwischen volkstümlichem Schippe und gewählterem Schaufel. Dahinter steht vermutlich die Assoziation des „nördlichen“ pp (dem im Standarddeutschen normalerweise pf entspricht) mit regional-dialektaler Sprache. Zum Teil hat die Konkurrenz offenbar auch zu einer Bedeutungsdifferenzierung geführt (s. Kretschmer ebd.). In den letzten Jahrzehnten hat sich die Verteilung nicht mehr verändert, wie der Vergleich mit der WDU-Karte (1-14) zeigt.

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schaufeln (Frage 3b)

Bei dem entsprechenden Verb ist die Situation etwas anders: Hier zeigt sich tatsächlich eine Ausbreitung des mittel-/niederdeutschen schippen im Südwesten, bis hinunter zur Schweizer Grenze. Auch in dem norddeutschen Schaufel-Gebiet ist das Verb schippen weit verbreitet (daneben schaufeln), und in Thüringen, im nördlichen Sachsen und im Rheinland ist als Substantiv zwar Schaufel üblicher als Schippe, beim Verb ist es dagegen umgekehrt. Nur in Bayern, Baden/Elsass, Österreich, der Schweiz und in Ostbelgien dominiert klar schaufeln.

Die WDU-Karte 1-15 bezieht sich auf „Schnee wegräumen (mit der Schneeschaufel)“ und ist insofern nicht ganz mit unserer („Sand ...“) vergleichbar, als mit ersterem zwei verschiedene Tätigkeiten (und entsprechend verschiedene Werkzeuge) gemeint sein können. So ist auf der WDU-Karte verbreitet räumen und schieben verzeichnet, und eventuell hat auch die noch klarere Geltung von schippen im Südwesten sowie im Süden von Sachsen, die diese WDU-Karte zeigt, hiermit zu tun.

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jmdn. auf die Schippe nehmen (Frage 3c)

Noch weiter ist die Form Schippe in der Wendung „jemanden auf die ... nehmen“ verbreitet: In diesem Fall gilt in ganz Deutschland und der Schweiz sowie Ostbelgien Schippe, nur verstreut im Nordwesten und im Osten auch Schüppe. In Österreich wird auch in dieser Redensart dagegen Schaufel verwendet. (In vielen Gebieten Bayerns, Österreichs und der Schweiz ist die Redewendung unüblich; im Elsaß, in Liechtenstein und in Südtirol scheint sie völlig ungebräuchlich zu sein.) Möglicherweise haben die Wörter Schippe/Schüppe/Schaufel in dieser Wendung wenig mit dem Arbeitsgerät zu tun. So führt Pfeifer Schippe in jmdn. auf die Schippe nehmen auf „Schippe in der Bedeutung ‘Wippe, Gerät zum Fortschleudern’ (mhd. schupfe, schuppe ‘Wippe’)“ zurück (so auch das DWB Bd. 15, Sp. 206). Da diese alte Bedeutung von Schippe wohl heute nicht mehr bekannt ist, könnte es sich um eine Umdeutung handeln, die dazu geführt hat, dass z. T. die Bezeichnungsvarianten für das Werkzeug auch in die Ausprägungen der Redewendungen eingingen.