Verhältniswort

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Verhältniswort (I) (Frage 4a)

Der Gebrauch der Präpositionen in der Zeitangabe im Satz „Sie wollten .... Weihnachten kommen.“ zeigt deutliche regionale Unterschiede: Im größten Teil der Schweiz, in Süddeutschland und im Westen auch noch weiter nördlich bis hinauf nach Westfalen heißt es an Weihnachten, in Österreich und in Ostdeutschland dagegen zu Weihnachten. Im Süden ist dieser Gegensatz fast überall ganz klar, im Norden kommt dagegen auch verstreut die jeweils andere Variante vor. Außerdem kommt in der Nordhälfte Deutschlands, in Ostbelgien und in Luxemburg eine dritte Möglichkeit hinzu: das Fehlen einer Präposition. In Niedersachsen, Schleswig-Holstein scheint dies – neben an und zu – die häufigste Variante zu sein. Auch an der deutsch-österreichischen Grenze, also der Grenze zwischen an und zu, ist einige Male „ohne Verhältniswort“ gemeldet.
In begrenztem Rahmen ist die Karte vergleichbar mit der WDU-Karte „Wir fahren …. Ostern in die Berge.“ (WDU 3-58). Das ,präpositionslose‘ Gebiet reicht darin weiter nach Süden (bis an die Lahn im Westen und bis nach Oberfranken im Osten, vereinzelt auch Meldungen aus Mittelfranken), während das an-Gebiet dort kaum über eine Linie Mosel-Lahn-Main hinaus geht. Das zu-Gebiet hat sich zwischen den Erhebungen aus den 1970er und 1980er Jahren und der aktuellen Erhebung nur geringfügig geändert. (Die Belege für über Ostern und über die Ostern auf der Karte WDU 3-58 lassen sich nicht vergleichen, da die damalige Fragestellung neben einem Zeitpunkt auch die Interpretation eines Zeitraums zulassen.)

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Verhältniswort (II) (Frage 4b)

Hinsichtlich des in dem Satz „.... der Versammlung wurde es beschlossen.“ verwendeten Verhältnisworts unterscheidet sich vor allem der Gebrauch in der Schweiz klar von dem in den anderen deutschsprachigen Ländern: In der Schweiz heißt es in der Regel an der Versammlung. In Ostbelgien und Luxemburg hört man nur auf der Versammlung. In den Deutschland, Österreich und Südtirol stehen dagegen auf der Versammlung und bei der Versammlung nebeneinander, wobei anscheinend unterschiedliche Präferenzen herrschen: In Deutschland überwiegt eher auf, in Österreich und Südtirol eher bei. Schließlich findet sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch noch verstreut in der Versammlung.

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Verhältniswort (III) (Frage 4c)

Bei „Wir machen Urlaub .... Bauernhof.“ unterscheidet sich der Gebrauch in Österreich von dem in den anderen Ländern (auch Südtirol unterscheidet sich hierin von Österreich): Während ansonsten auf dem üblich ist, dominiert in Österreich am. Der Unterschied liegt hier allerdings nicht im Gebrauch von an oder auf mit bestimmten Substantiven, sondern darin, dass in Österreich – und teilweise auch in Bayern – auch auf + dem zu am verschmolzen wird, nicht nur an + dem. (So ist z. B. auch ich liege am Bauch/am Rücken möglich, aber *ich liege an der Seite kommt ebenso wenig vor wie *Urlaub an der Hütte oder *wir fahren mit dem Fahrrad ans Land.) Die Verschmelzung von auf +dem zu am ist eine jüngere, vor allem von Wien ausgegangene Erscheinung (vgl. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich Bd. 1, 209, 443), die sich besonders in bestimmten Kombinationen wie am Land oder am Bauernhof etabliert hat – vgl. z. B. http://www.urlaubambauernhof.com/ – oder z. B. auch in Redewendungen wie jdn. am falschen Fuß erwischen (s. VWB, 33f.), obwohl dieser Gebrauch von am verschiedentlich als „Fehler“ gebrandmarkt worden ist (vgl. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich Bd. 1, 209 oder Kretschmer 8). Hintergrund ist eine Entwicklung von auf zu af, die in Österreich verbreitet ist (vgl. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich Bd. 1, 442f.). Sie hat auch im Nordbairischen und östlichen Oberfränkischen stattgefunden (s. DiWA Kt. 447), so ist uns auch von dort am gemeldet worden – jedoch nur sehr selten; der Unterschied erklärt sich möglicherweise vor allem damit, dass diese Form in Deutschland nicht mit dem Gebrauch eines tonangebenden städtischen Zentrums assoziiert wird.

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Verhältniswort (IV) (Frage 4d)

Im größten Teil des deutschen Sprachgebiets sagt man „Ich habe eine schlechte Note im Zeugnis.“. Der Gebrauch in Ostdeutschland (bis zum Braunschweiger Raum einschließlich) und ebenso im Westen, im Saarland, im Rheinland-Pfalz von der Mosel an nordwärts über Nordrhein-Westfalen bis ins südliche Niedersachsen weicht davon ab: Hier heißt es vorwiegend auf dem Zeugnis. Dies gilt auch in Luxemburg, aus Ostbelgien wird dagegen nur im gemeldet.