Verbstellungen

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Verbstellung (I) (Frage 13a)

Wenn es nach den Grammatiken geht, ist die Wortstellung im Deutschen streng geregelt. Wenn etwa in einem Hauptsatz das Prädikat aus einem finiten Verb (also der Verbteil, an dem man erkennen kann, ob es sich um die 1., 2. oder 3. Person, Einzahl oder Mehrzahl, Passiv, Konjunktiv usw. handelt), einem Infinitiv und der "Ersatzform" von Modalverben wie können, sollen, müssen für das Partizip II besteht, gilt folgende Regel: Das finite Verb steht an zweiter Stelle im Satz und der Infinitiv gefolgt von einem „Ersatzinfinitiv“ steht am Satzende. So sagt man in den meisten deutschsprachigen Gebieten: Peter hat ein Kotelett essen wollen. In Luxemburg und in der Schweiz, teilweise auch in Vorarlberg hingegen heißt es Peter hat ein Kotelett wollen essen. Ganz vereinzelt wurde diese Wortstellungsvariante auch aus Deutschland und Österreich gemeldet.

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Verbstellung (II) (Frage 13b) und Verbstellung (III) (Frage 13c)

Auch bei folgenden „Verbalkomplexen“ weichen vor allem schweizerdeutsche Sprecher von der sonst üblichen Wortstellung ab: In eingeleiteten Nebensätzen rückt das finite Verb an das Satzende und die infiniten Verbteile stehen direkt vor ihm. So heißt es eigentlich in ganz Deutschland und Österreich: ..., ob er überhaupt heiraten will oder  ..., wie sie gestern ins Haus gekommen sind. In weiten Teilen der Schweiz und ganz vereinzelt in Deutschland sagt man aber eher: ..., ob er überhaupt will heiraten (auch in Luxemburg) oder  ..., wie sie gestern sind ins Haus gekommen oder ..., wie sie gestern ins Haus sind gekommen.

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Verbstellung (IV) (Frage 13d) und Verbstellung (V) (Frage 13e)

In den beiden vorangegangenen Beispielsätzen bestand das Verb aus zwei Teilen. Hier wichen vor allem schweizerdeutsche Sprecher von der verbreiteteren Wortstellung ab. Wenn das Prädikat des Satzes aber gleich aus drei Verben besteht, neigen offenbar auch vermehrt deutsche und österreichische Sprecher dazu, in eingeleiteten Nebensätzen das finite Verb vorzuziehen.  Die überwiegende Mehrheit in Deutschland und Österreich sagt zwar noch ..., ob er sich noch bei ihr sehen lassen kann und ..., wie er die Zwillinge unterscheiden können soll, aber teilweise sagt man eben auch ..., ob er sich noch bei ihr kann sehen lassen und noch häufiger  ..., wie er die Zwillinge soll unterscheiden können. In der Schweiz sind diese Formen eigentlich der Standard. Eine mögliche Erklärung könnte folgende sein: Das finite Verb liefert dem Hörer oder Leser eines Satzes wichtige Informationen und signalisiert, dass der Satz zu Ende ist. Wenn der Satz aber relativ lang ist und noch einige Infinitive enthält, muss der Hörer ziemlich lange und konzentriert warten, bis ihm das finite Verb geliefert wird – denn es steht ja ganz am Satzende. Möglicherweise zieht man deshalb in Alltagsgesprächen das finite Verb etwas vor, um die Konzentration des Zuhörers nicht überzustrapazieren. Jedenfalls wird im Deutschen das finite Verb umso eher vorgezogen, je komplexer die verbale Gruppe ist (vgl. ausführlicher Ágel 2001).