Länge des (betonten) Vokals

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geröstet (Vokallänge) (Frage 22a)

Die Aussprache von geröstet bzw. rösten mit langem Vokal kommt vor allem im Südwesten vor (in der Schweiz fast ausschließlich), außerdem in Sachsen, seltener auch im Südosten - im Nordwesten dagegen gar nicht und in Österreich auch kaum. Die seltenere Form mit Langvokal ist jedoch bei der Regelung der Bühnenaussprache als Standardform festgelegt worden (s. Siebs) und wird auch im aktuellen Duden-Aussprachewörterbuch als erste Form angeführt, neben der aber "auch" die andere akzeptiert ist. Anders als in anderen Fällen lässt die Karte hier keine Tendenz zur Ausbreitung der von der Norm bevorzugten Form erkennen, eher umgekehrt: Gemischt erscheinen die Gebiete, in denen der Langvokal verwendet wird, während es Regionen mit ausschließlich Kurzvokal-Meldungen gibt. Es handelt sich bei der dominierenden um die jüngere Form: Der Vokal in rösten ist im Mittelhochdeutschen lang. Dort ist allerdings dementsprechend auch in Rost (zum Braten) das o lang, während es in Rost 'oxydiertes Eisen' kurz ist. Dieser Unterschied ist in der heutigen Standardsprache aufgehoben, hier klingt Rost in beiden Bedeutungen gleichermaßen kurz (vgl. dagegen Wb. der schweizerdeutschen Sprache). Da eine Kürzung von Vokalen vor st nicht nur regional verschieden, sondern von Wort zu Wort unterschiedlich stattgefunden hat, wurde bei der Festlegung der Bühnenaussprache (aus der die heutige Aussprachenorm hervorgegangen ist) hier jeweils einzeln entschieden (s. Siebs).

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Krebse bzw. Obst (Vokallänge) (Fragen 22b und 22c)

Bei Obst und Krebs (im Beispielsatz in der Mehrzahl: Krebse) ist die Verteilung im Vergleich zu rösten umgekehrt: Hier sind im Süden und vor allem Südwesten die Formen mit kurzem Vokal üblich und im Norden die mit langem. Ganz identisch sind die beiden Bilder nicht: Bei Krebs verläuft die Grenze im Westen etwas weiter nördlich, dafür tritt die Form mit kurzem Vokal bei Obst auch im Südosten häufiger auf. Wie bei rösten sind die Standardformen (im Duden-Aussprachewörterbuch ohne Alternative angegeben) auch hier die mit langem Vokal, dies steht hier jedoch im Einklang mit den Mehrheitsverhältnissen und entspricht dem Gebrauch des Nordens. Außerdem handelt es sich in diesem Fall um die jüngeren Formen: Die Länge des Vokals kommt daher, dass es sich ursprünglich um zweisilbige Wörter mit (zunächst kurzem, dann gedehntem) Vokal in offener Silbe handelte (mhd. krebes, obes), was in einigen Dialekten auch noch erhalten ist. So erklärt sich auch, dass Obst und Krebs in der Standardaussprache einen langen Vokal haben, obwohl in derselben Silbe jeweils noch zwei bzw. drei Konsonanten folgen - normalerweise haben Silben mit mehreren Konsonanten am Ende im Deutschen kurze Vokale (sofern es sich bei den Konsonanten nicht um Flexionsendungen handelt wie etwa in du liebst). In dieser Hinsicht stehen die südwestlichen Formen mit Kurzvokal besser im Einklang mit den Regularitäten des Silbenbaus im Deutschen als die Standardformen. Die Karten deuten aber kaum auf eine Ausbreitung der Kurzvokal-Varianten im Norden hin.

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