Reißnagel

AdA_Runde8_F3f_water

Reißnagel/Reißzwecke/Heftzwecke (Frage 3f)

Ein kleiner Nagel mit breitem, flachem Kopf (vor allem zum Festhalten von Papier an Wänden) wird in der Südhälfte des deutschen Sprachraums, in Österreich, der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg Reißnagel genannt, in der Nordhälfte Deutschlands (bis hinunter in die Pfalz) zumeist Reißzwecke. In Rheinland-Pfalz und im Saarland (und nach einigen Meldungen teilweise auch in Hessen) ist Reißbrettstift üblich. Während die letztere Benennung ganz durchsichtig ist, handelt es sich bei Reißnagel und Reißzwecke um eine Verkürzung (Klammerform) aus Reißbrett-Nagel bzw. -Zwecke: Der Gegenstand wird zur Befestigung eines Blatts auf dem Reißbrett verwendet, nicht zum „reißen“ selbst. Reißen bedeutet hierbei ‘zeichnen’ (die Verwandtschaft mit ritzen weist darauf hin, dass die Idee des Einritzens von Zeichen/Zeichnungen zugrundeliegt, wie auch bei der englischen etymologischen Entsprechung zu dt. reißen, dem Verb write ‘schreiben’). Zweck(e) ist ein altes Wort für einen Nagel oder Stift (das Maskulinum Zweck ist ursprünglich eine Variante desselben Worts, bei der sich die (über ‘Pflock in der Mitte der Zielscheibe’) zu ‘Ziel’ gewandelte Bedeutung etabliert hat, während das Femininum Zwecke die ursprüngliche Bedeutung behalten hat (Kluge, DWB).
Im Nordwesten Deutschlands und in Ostbelgien ist eher Heftzwecke üblich (wobei das Kartenbild auf eine Verdrängung durch Reißzwecke von Süden und Osten her schließen lässt). Aus Luxemburg wurde das französische Wort Punaise gemeldet, was ursprünglich nur die Bezeichnung der Wanze war (von vulgärlat. *putinasius ‘stinkend’, verwandt mit frz. puer / ital. puzzare ‘stinken’) und – wegen der oberflächlichen Ähnlichkeit mit dem Insekt – im 19. Jh. auf den Reißnagel übertragen wurde. Das nur einmal gemeldete Wanze ist wohl eine Lehnbedeutung nach diesem Vorbild.