Anfangs- oder Endstück des Brotes

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Anfangs- oder Endstück des Brotes (Frage 3h)

Für das „abgeschnittene Anfangs- oder Endstück des Brotes“ gibt es eine Fülle von Bezeichnungen im Deutschen. Das rührt daher, dass neben verschiedenen Wörtern auch unterschiedliche Verkleinerungsformen und Lautungen dieser Wörter vorkommen. Auf der Karte sind Wortformen, die auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, mit derselben Farbe, aber unterschiedlichen Symbolen verzeichnet. Die AdA-Karte kann mit einer Karte aus den 1970er Jahren verglichen werden; damals wurde schon einmal nach den Bezeichnungen für diesen Begriff gefragt (WDU II−57).

Eine großräumige Verbreitung weisen nur drei Bezeichnungen auf: In den dialektal bairischen Regionen Österreichs und Altbayerns wird das Anfangs- oder Endstück des Brotes Scherz oder – mit den für das Bairische typischen Verkleinerungsformen – Scherzel oder Scherzerl genannt. In den meisten Regionen der ostdeutschen Länder ist Kanten üblich. Aus einem eigentümlich langgestreckten Gebiet von der deutsch-niederländischen Grenze im Nordwesten den Rhein und dann den Main hinauf wurde die Form Kante gemeldet – übrigens an deutlich mehr Orten als in der Umfrage aus den 1970er Jahren. Sowohl Kante als auch Kanten leiten sich von einem niederdeutschen Wort für ‘Kante, Ecke, Rand’ ab, das sich über das Mittelniederländische und Altfranzösische bis auf das lateinische cantus ‘Radreifen, Radfelge’ zurückverfolgen lässt (Pfeifer, 616f.). Der westliche Teil Norddeutschlands – von Nordhessen über Niedersachsen, die beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg bis hinaus nach Schleswig-Holstein – wird jedoch von der Form Knust (auch: Knüstchen) dominiert; sie setzt sich nach Osten hin übrigens relativ klar entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze gegen Kanten ab. Auch dieses Wort ist aus dem Niederdeutschen ins norddeutsche Hochdeutsch gelangt. Im Mittelniederdeutschen (wie auch im Mittelniederländischen) bedeutete knūst ursprünglich ‘knotiger Auswuchs, Knorren, Verdickung [an einem Stück Holz etc.]’ (Pfeifer, 684).

Neben diesen drei Hauptvarianten gibt es einige kleinräumig verbreitete Wörter (ebenfalls mit verschiedenen Diminutivformen und Lautvarianten): In Sachsen sowie Teilen Thüringens und Oberfrankens sind Ranft, Ränft oder verschiedene Verkleinerungsformen, insbesondere Rämpftla (daneben Ränftl, Ränftchen ….) üblich. In Mittelfranken hält sich die Bezeichnung Knetzla, die wie das – nunmehr nur noch – in den linksrheinischen Gebieten der Pfalz gebräuchliche Wort Knerzel bzw. (nicht-entrundet:) Knörzel auf einen Stamm Knorz- zurückgeht. In Westfalen sagt man meist Knäppchen, im Rheinland, im Siegerland und in Hessen ist Krüstchen verbreitet. Im fränkisch-thüringischen Übergangsgebiet halten sich auch noch Diminutivformen, die sich von Kuppe ableiten (Küpple, Küppla, Kübbele, Küppchen).

Für Schwaben zeigt die Karte aus den 1970er Jahren eine etwa gleich häufige Verteilung von Riebele und Knäusle bzw. (entrundet:) Kniesle. Auf unserer Karte scheint es dagegen so, als würde sich Riebele als schwäbisches Kennwort recht deutlich von der badischen Varianten Knäusle/Kniesle abgrenzen. Desgleichen zeichnet sich in der Schweiz ab, in der die WDU-Karte noch relativ unspezifische Verteilungen von Mürggel und Anschnitt zeigte, dass Mürggel im Westen, Anschnitt dagegen im Osten der Deutschschweiz üblicher geworden ist. Die früher noch im Raum Zürich gemeldete Form Gupf wurde in unserer Fragerunde nicht mehr gemeldet. Auffällig ist gegenüber der WDU-Karte auch, dass in Südtirol der Gebrauch von Scherz(e)l und Ränftl zugunsten von Riebele und Zipfel aufgegeben worden ist.

Wie gesagt, gibt es neben den Hauptvarianten, die hier genannt wurden, noch einige andere Varianten, vor allem aber eine Vielzahl von verschiedenen Lautungen, die z. T. sehr kleinräumig sind und hier nur exemplarisch genannt werden konnten. In einigen Gegenden scheint es sogar verschiedene Bezeichnungen für den Brotanschnitt auf der einen und das Reststück auf der anderen Seite des Brotlaibs zu geben. So wurde aus dem badisch-schwäbischen Übergangsgebiet gemeldet, das Knäusle sei das Anfangsstück des Brotes, das knusprig ist und das jeder haben will, das Riebele dagegen das vertrocknete Endstück; nur aus Letzterem mache man eine Brotsuppe, die Riebelessupp.