Schluckauf (ggü Kindern)

10-03c

Schluckauf (Frage 3c)

Bei der Frage nach den „plötzlich auftretenden ruckartigen Einatmungsbewegungen, wie sie bei Kindern häufig auftauchen“ wurde auf dem Fragebogen unterschieden nach dem Ausdruck, den man gegenüber Kindern verwendet, und dem Ausdruck, den man gegenüber einem Arzt oder einer Ärztin gebrauchen würde (wenn es nicht nur einmalig, sondern ständig auftritt und man sich deswegen in ärztliche Behandlung begibt, s. 3.d). Die Annahme war, dass man vielerorts gegenüber dem Arzt oder der Ärztin ein anderes Wort verwenden würde als dasjenige, das man gegenüber Kindern gebraucht.

Die gegenüber Kindern verwendeten Bezeichnungen für den Schluckauf gruppieren sich um Substantive mit den Wortstämmen schluck‑, hick‑, gluck‑ und schnack‑ herum.

Der in Deutschland am weitesten verbreitete Ausdruck ist Schluckauf. Es handelt sich dabei um eine Übertragung des niederdeutschen Worts Sluckup ins Hochdeutsche (DWB XV, 800). Sein erster Gebrauch wird für das 19. Jahrhundert angegeben (Pfeifer), allerdings verwendet schon Gottsched in seiner Übersetzung des mittelniederdeutschen Versepos „Reineke der Fuchs“ von 1752 die Bezeichnung „der Abt von Schluckauf“ für den Namen „de abbet van Slukup“ aus der Vorlage (4. Buch, 6. Kapitel). Die niederdeutsche Herkunft erklärt auch, warum das Wort ursprünglich nur im Norden Deutschlands gebräuchlich war. Eine Karte des „Wortatlas der deutschen Umgangssprachen“ aus den 1970er Jahren (WDU I–5) zeigt Streubelege (meist als Zweitmeldungen) aus allen deutschsprachigen Regionen – außer der Deutschschweiz –, nur in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern war Schluckauf als alleinige Variante gemeldet worden. Vier Jahrzehnte später hat dieses Wort im Norden und in der Mitte Deutschlands schon fast alle anderen Bezeichnungen verdrängt, die dort früher noch üblich waren und alle vom Verb schlucken abzuleiten sind: Die Substantivierung Schlucken, in den 1970er Jahren noch fast in der ganzen DDR sowie teilweise in Hessen gebräuchlich, wurde bei unserer Umfrage nur noch aus einigen Orten in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gemeldet. Die Ausdrücke Schluckser und Schlickser, früher im Saarland und in der Pfalz bis hinauf nach Südhessen verbreitet, wurden außerhalb vom Saarland nun kaum noch genannt. Schlick bzw. Schlicks, ehedem in Nordrhein-Westfalen und im Moselgebiet üblich, ist fast völlig verschwunden.

Im Süden ist Schluckauf in Bayern häufiger, in Österreich (außer im Westen) und in Südtirol jedoch nur an relativ wenigen Orten – und da fast immer als Zweitmeldung genannt – gegenüber Kindern gebräuchlich. (Neu hinzugekommen ist dagegen das Wort Schluckiza, das spezifisch für den Osten Südtirols ist.) Relativ stabil geblieben sind im Süden des Sprachgebiets dagegen die den Schluckauf lautnachahmenden Ausdrücke, die schon vor vier Jahrzehnten dort üblich waren:

In Baden und im Elsaß sagt man wie früher Gluckser oder vereinzelt auch Glutzger, im südlich anschließenden Westteil der deutschsprachigen Schweiz verwendet man die Diminutivform Gluggsi; diese Formen leiten sich von glucksen/gluggsen, einer Intensivbildung des Verbs glucken/gluggen ab (vgl. KSdS 2010, 78f.), das ursprünglich den Laut einer gluckenden Henne nachahmte.

Eine Reihe von Bezeichnungen weisen die lautmalende Komponente Hick- auf. Diese findet sich in fast allen germanischen Sprachen (vgl. ndl. hik, engl. hiccup/hiccough, fries. hikje; norweg./dän. hikke, schwed. hicka, isländ. hiksti, afrikaans hikken; nur die Bezeichnungen im Pennsylvania-Deutsch, shlooxa, im Jiddischen, שלוקערץ [ʃlʊkɛʀʦ], und im Fering-Friesischen, slük, stellen sich zur Gruppe mit dem Stamm Schluck‑), und auch in anderen Sprachen klingt es ähnlich (vgl. finn. hikka, russ. икота, span. hipo, frz. hoquet, türk. hıçkırmak). Nur Hick sagt man in Luxemburg. Hicker oder Hickser wird vor allem im zentralschwäbischen Raum verwendet. Von dort aus hat es sich in den letzten vier Jahrzehnten aber noch weiter ins Süd‑, Mosel‑ und Ostfränkische ausgebreitet; darüber hinaus wird es auch aus Ostbelgien (oft in der Form Hickes) sowie vereinzelt aus Nord- und Ostdeutschland gemeldet (dort gelegentlich in der diminuierenden Form Hicki). Hecker ist auf den Norden Bayerisch-Schwabens beschränkt (vgl. KBS 2006, 146f.); auf der WDU-Karte (WDU I–5) wird diese Form für ganz Schwaben ausgewiesen – dies liegt aber wohl daran, dass im WDU-Fragebogen Hecker (nicht Hicker!) eine der vorgegebenen Varianten war. Die typisch mittelfränkische, teilweise auch noch oberfränkische Variante war und ist Hetscher (oder Hätscher, KBS 2006, 146f.). In Bayerisch-Schwaben und in Liechtenstein sagt man mancherorts auch Häscher. Im östlichen Teil der deutschsprachigen Schweiz lautet das Wort Hitzgi, in Brienz und südlich des Brienzer Sees Higgi (vgl. KSdS 2010, 78f.).

Am Niederrhein und in Ostbelgien sowie vereinzelt in Westfalen sagt man auch Hickepick (s. RhWb III, 621); meist aber gehört dieser Ausdruck nicht zu den zwei häufigsten aus dem Ort genannten Varianten.

Die Ausdrücke mit dem Stamm schnack‑ kommen in Vorarlberg und ansonsten ausschließlich im mundartlich bairischen Raum vor. Das Verb schnacken bezeichnete ursprünglich wohl „eine schnappende, schnellende bewegung des mundes“, die davon abgeleitete Iterativform schnackeln findet sich nur im Oberdeutschen (DWB XV, 1156). Diesem Verb schnackeln liegen die verschiedenen Bezeichnungen für den Schluckauf in Bayern und Österreich zugrunde: Schnackler wird in Altbayern, in Tirol und Südtirol sowie in Vorarlberg verwendet. Schnackel wurde vereinzelt aus verschiedenen Orten Bayerns, Österreichs (da auch Schnaggile) und Südtirols gemeldet, oft jedoch nur als Nebenvariante. Das in Österreich – außer Tirol und Vorarlberg – gebräuchlichste Wort ist aber Schnackerl.