Purzelbaum

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Purzelbaum (Frage 8c)

Als alltagssprachliche Bezeichnung für die „Rolle vorwärts“, wenn sie nicht Turnübung ist, sondern Kinderspiel, wurde fast überall Purzelbaum angegeben. Das Wort, das als burzelbaum seit dem 16. Jh. belegt ist, geht auf die Verbindung von purzeln und (sich) aufbäumen zurück. Adelung (1782, Bd. 1, Sp. 1272) beschreibt Anfang des 19. Jahrhunderts den Vorgang genauer: „Im gemeinen Leben, eine Art des Fallens, da man sich auf den Kopf stellet, den Hintern in die Höhe hebet, und auf die andere Seite niederfallen lässet. ... Baum druckt in dieser Zusammensetzung die senkrechte Erhebung des Hintern aus.“ Adelung weist auch auf zahlreiche landschaftliche Bezeichnungen hin: „In Schlesien heißt der Burzelbaum ein Burzelbock, in Franken ein Stürzbaum, im Österreichischen ein Kuchenschaß, in Westphalen und Hamburg Heusterpeuster, Kopfheuster, in der Mark Brandenburg und Pommern Kobold, im Dänischen Kolbotte, beyde nach dem Franz. Culbut und culbuter.“

Diese Vielfalt scheint weitgehend verschwunden zu sein. Nur in Tirol und ganz im Westen von Kärnten ist noch ein Areal erkennbar, in dem es nicht Purzelbaum heißt, sondern Purzi- mit einem anderen Grundwort verbunden wird: Purzigagl/Purzigogl (Nordtirol) bzw. mit Diminutiv Purzigagile (Ost- und Südtirol), zu dem mundartlichen Verb gageln, dessen Bedeutungsspektrum das DWB (Bd. 4, Sp. 1142) mit ‘gaukelnde bewegungen machen’ zusammenfasst.

Die anderen im Fragebogen vorgeschlagenen Optionen (= Varianten der WDU-Karte, s.u.) wurden nur noch sehr vereinzelt angeklickt. Die entsprechenden Meldungen bleiben dann am jeweiligen Ort fast immer unter dem angesetzten Schwellenwert von 35 %, außer in Einzelfällen wie einer Meldung von Heubürzli in der Zentralschweiz (vom Purzeln in Heuhaufen, vgl.  Schw. Idiotikon Bd. 4, Sp. 1647) und einmal Gigestutz im Wallis, sowie je einmal im Nordwesten von Deutschland Kus(s)elkopp (an der Ruhr) und Kopps(t)ibolter, am Westrand von Niedersachsen. Beides bezieht sich wohl auf die kopfüber ausgeführte Bewegung. Kusel- gehört zu einer Wortfamilie Kusel/kuseln, die eine Reihe von Bedeutungen in Richtung ‘Durcheinander’ wie auch ‘rollen, kullern’ umfasst, vgl. RhWb Bd. 4, Sp. 1782f.), -bolter bzw. weiter südlich -bolz kommt in verschiedenen ähnlichen Bezeichnungen vor (vgl. Kobold, Kaboltzekopp, Kopelebolz usw., s. z.B.  RhWb. Bd. 4, S. 1228 „Kopf-bolz“); das RhWb. verweist auf den Vergleich mit dem niederstürzenden Schießbolzen, evtl. spielt aber auch das schon von Adelung angeführte frz. culbute  ‘Purzelbaum’ eine Rolle. 

Gegenüber der Karte  des WDU (3-24) sind deutliche Veränderungen zu beobachten, obwohl diese Karte auf die rezentere Erhebungsserie in den 1980er Jahren zurückgeht. Damals wurde in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Vorpommern noch verbreitet Kobolz/Kobold(schießen) angegeben, in Mecklenburg und vor allem Schleswig-Holsteinkoppheister(schießen). Um Bremen herum hieß der Purzelbaum noch Kalabums (es scheint die Bezeichnung nicht gerettet zu haben, dass dort zwischen 2005 und 2007 die Kalabums-WM ausgetragen wurde, siehe Wikipedia [11.04.2016]). Kopps(t)ibolter war im westlichen Niedersachsen sowie in Ostwestfalen noch verbreitet, Kuselkopp zwischen Niederrhein und Westfalen noch beherrschend, und in der Eifel galt noch Kuckelebaum. Im Süden hat sich das Bild weniger verändert.

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 (einen Purzelbaum) machen

Recht einheitlich ist auch das Verb, das benutzt wird: Fast überall sagt man einen Purzelbaum machen. Adelung erwähnt noch „Einen Burzelbaum machen oder schießen“, schießen kommt in unserer Karte jedoch nur noch einmal vor. Etwas häufiger wurde schlagen gemeldet, aber hierbei scheint es auch keine regionale Konzentration zu geben (außer evtl. in Lothringen / im nördlichen Elsaß).